Wassenberg Vergangenes wirkt bis heute nach

Wassenberg · Buchautor David Safier stellte in der Wassenberger Kreuzkirche vor Jugendlichen und interessierten Erwachsenen seinen Roman "28 Tage" vor. Es geht um den Aufstand im Warschauer Ghetto. Eingeladen hatte die Gesamtschule.

 Auf viel Interesse des vorwiegend jungen Publikums stieß die Lesung von David Safier aus seinem neuen Buch "28 Tage lang" in der Wassenberger Kreuzkirche.

Auf viel Interesse des vorwiegend jungen Publikums stieß die Lesung von David Safier aus seinem neuen Buch "28 Tage lang" in der Wassenberger Kreuzkirche.

Foto: Jürgen Laaser

"Was für ein Mensch möchte ich sein?" Vor dieser Frage steht die 16-jährige Jüdin Mira Ende des vierten Kapitels im Roman "28 Tage lang" von David Safier. Die fiktive Hauptperson schmuggelt zu Beginn der Romans, im Frühjahr 1942, Essen in das Warschauer Ghetto. Im Mittelpunkt des Buches steht der Aufstand des Ghettos am 19. April 1943, bei dem rund 1400 Juden, meist noch Jugendliche, zu den Waffen griffen, "um selbst zu entscheiden, wie sie sterben", so Safier. Entgegen aller Erwartungen hielten sie nicht nur einen, sondern ganze 28 Tage gegen die Übermacht stand.

Thomas Kranz, Lehrer an der Betty-Reis-Gesamtschule in Wassenberg, wurde bei dem Literaturfestival "Lit. Cologne" auf das Buch aufmerksam und lud, in Zusammenarbeit mit der Buchhandlung Gollenstede, den international erfolgreichen Autor in die Evangelische Kreuzkirche Wassenberg ein. Er erkannte gleich, das sei "genau die richtige Sache" für die Schule, die nach einem jüdischem Mädchen benannt ist, das im KZ umkam. Auch im Unterricht wählten einige Schüler den Roman im Rahmen eines Lesetagebuchs, erzählt Kranz.

Laut Safier, der das Buch schon in vielen Schulen vorgestellt hat, be-steht ein "großes Grundinteresse bei Schülern an dem Thema". "Im Gegensatz zum Schulunterricht, wo meist Fakten gelehrt werden, erfolgt hier der Zugang über Empathie und Mitgefühl. Es geht um junge Menschen, daher ist die Identifikation groß", sagt er.

Safier selbst ist Sohn eines österreichischen Juden und einer Deutschen, die im Bombenhagel aufwuchs. "Vergangenheit ist nicht Vergangenheit, die Traumata ziehen sich durch die Generationen. Der Zweite Weltkrieg ist in dem Sin-ne nicht vorbei", meint er. Ein Grund mehr, warum sich die heutigen Enkel der betroffenen Personen mit dem zweiten Weltkrieg auseinandersetzen sollten. Safier bringt den Schülern der Klassen acht bis zehn das Thema in seinem fesselnden Vortrag sehr nahe, er liest und erzählt sowohl Persönliches als auch historische Fakten, während sie gebannt zuhören.

Verglichen mit seinen vergangenen, humorvollen Projekten (siehe Info-Kasten) ist das gerade ein Jahr alte Buch mit seinem ernsten Thema eine Drehung um hundertachtzig Grad. "Auch in diesem Buch gibt es Humor, doch wenn er auftritt, ist er meist bitter", sagt Safier. "Das Schreiben des Buches empfand ich als sehr intensiv, spannend und bewegend." Emotionen, die auch die Zuhörer empfinden, wie unschwer am tosenden Applaus und Jubel am Ende der Lesung erkennbar wird.

Besonders bewegt den Autor die Menschlichkeit in solchen Extremsituationen: "Man kann das Furcht-barste sehen, wozu Menschen fähig sind, aber gleichzeitig auch das Großartigste."

(juri)
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