Wassenberg Pionier der Inklusion verabschiedet

Wassenberg · 21 Jahre lang trieb der Birgelener Grundschulrektor Heinz Pütz die Idee der Inklusion voran. Seine Weggefährten fanden zum Abschied lobende Worte. Gemeinsamer Unterricht mit behinderten Kindern war seine Herzensangelegenheit.

 Der Kapitän geht von Bord: Schulleiter Heinz Pütz wurde mit dem Schlauchboot (auf einem Hänger) abgeholt und zur Schule gefahren. "Matrosen": Konrektorin Doris Wingertszahn (l.) und die neue Schulleiterin Barbara Schillings.

Der Kapitän geht von Bord: Schulleiter Heinz Pütz wurde mit dem Schlauchboot (auf einem Hänger) abgeholt und zur Schule gefahren. "Matrosen": Konrektorin Doris Wingertszahn (l.) und die neue Schulleiterin Barbara Schillings.

Foto: JÜRGEN LAASER

Das Schicksal "innovativer Ideen" beschrieb einer der Festredner: Erst belächelt, dann bekämpft, und schließlich werden sie geklaut. Heinz Pütz, scheidender Rektor der Katholischen Grundschule Birgelen und regionaler "Pionier der Inklusion", dürfte allerdings zufrieden beobachten, wie zuletzt "Hehlerei" betrieben und die Idee der "Inklusion" etabliert wurde. Langsam aber sicher verbreitet sich seine Herzensangelegenheit, ein "Gemeinsamer Unterricht" für alle Kinder - und zwar deutschlandweit.

Viel Lob und dankende Worte für 27 Jahre an der KGS brachten Heinz Pütz seine Weggefährten entgegen. Wofür vierzehn Redner bei der feierlichen "Ausschulung" viele Worte brauchten, das vermittelten vier ehemalige Schüler in nur einem stummen Moment. Reden oder selbst geschriebene Märchen vortragen, wie Gitta Heckers vom Kindergarten Birgelen? Für einen der Vier, den Lernbehinderten Oliver (27), der schon die Frage nach seinem Nachnamen nur mit einem sympathischen Lächeln beantworten kann, sehr unrealistisch. Die Vier waren Teil der ersten "GU-Klasse" ("Gemeinsamer Unterricht") behinderter Kinder an der KGS. Im Jahr 1993 war das, "als noch niemand von Inklusion sprach", sagte Petra Lipa, damalige Klassenlehrerin. Heute erwachsen, freute sich Pütz besonders über ihr Kommen.

Der Meilenstein fußte auf dem Konzept, mit dem Grundschulpädagogen Pütz und der Sonderpädagogin Lipa ein antreibendes Team zu haben. Auch die Eltern zogen mit. Bis heute funktioniert dieses System. "Ich bin stolz auf das Erreichte und sicher, dass meine Nachfolger motiviert weitermachen", sagte ein zufriedener Heinz Pütz zu Beginn seiner Abschiedsfeier. Mit dem Schlauchboot hatten die Lehrerkollegen ihren "Kapitän" abgeholt. In Matrosen-Manier, mit blau-weiß gestreiften Halstüchern, überraschten ihn die, die bald selbst das "Ruder" in die Hand nehmen, so zum Beispiel Pütz' Nachfolgerin Barbara Schillings und Konrektorin Doris Wingertszahn. Ein spielerischer Festauftakt, der Pütz, dem Anhänger des Laissez-Faire-Prinzips "Lernen durch Spielen", gefallen haben dürfte. In der Alltagsrealität war dies aber immer "nur mit einem guten Team" umsetzbar, wie er betonte.

Bis zum Schluss haben auch die vier Überraschungsgäste der ersten "GU-Klasse" zugehört. Oliver ist heute bei der Erkelenzer Lebenshilfe und "seinen Weg wunderbar gegangen", so Lipa. Alle vier sind Positivbeispiele der durchaus kontrovers diskutierten Idee "Gemeinsamer Unterricht". Ihren Weg hat der Menschenfreund Heinz Pütz maßgeblich geebnet. Im kommenden Schuljahr werden wieder 30 behinderte und knapp 200 nicht behinderte Kinder in Birgelen voneinander profitieren, da ist sich Lipa sicher. Und deutschlandweit sind es noch viele mehr.

(jessi)
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