Gäste im SZB Wassenberg Betreuung bei Demenz im Wandel
Wassenberg · Menschen mit fortgeschrittener Demenz in einem geschützten Rahmen so viel Freiraum wie möglich geben – dies ist Ziel des SZB der Heinrichs Gruppe. CDA-Mitglieder und die Landes-Behindertenbeauftragte waren zu Gast.
Flure mit einer abschließenden Wand sind ein Horror für Menschen mit Demenz und Alzheimer im fortgeschrittenen Stadium. Um den für die Beeinträchtigung typischen Bewegungsdrang zu stillen, haben Einrichtungen der Heinrichs Gruppe das spezielle Raumkonzept „Pro 8“ entwickelt, das mittlerweile auch andere Träger von Alteneinrichtungen übernehmen. Flure in Form einer Acht mit zentral einsehbaren Gemeinschafts- und Ruhezonen machen „grenzenloses“ Flanieren möglich. Für die Betroffenen bietet das Konzept Bewegung und Kommunikationsmöglichkeit.
Nach den 2003 in Erkelenz-Kückhoven gebauten Beispieleinrichtungen folgten „Pro 8“-Häuser des Trägers in Würselen und Übach-Palenberg/Frelenberg. Und als jüngste Einrichtung das SZB in Wassenberg, das 2017 eröffnet wurde und das „Pro 8“-Konzept nach neuesten Erkenntnissen weiterentwickelt hat.
Interessantes darüber erfuhren jetzt bei einem Besuch im Wassenberger SZB Mitglieder des Kreisvorstandes der Christlich-demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) um ihren Vorsitzenden Heino Hamel, begleitet vom Landtagsabgeordneten Thomas Schnelle. Später gesellte sich ein besonderer Gast aus Düsseldorf hinzu: Claudia Middendorf (CDU), die Beauftragte des Landesregierung für Menschen mit Behinderung sowie Patienten/Patientinnen.
Warum das Wassenberger Haus eben nicht „Pro 8“ im Namen führt, erfuhren die Besucher bei ihrem Rundgang durch die Einrichtung mit Marcel Driessen (Betriebsleitung Heinrichs Gruppe) und Björn Cranen (Management Sozialtherapeutische Dienste). Nicht mehr ein großer „Dorfplatz“ wie in Kückhoven bildet das Zentrum der 8er-Schleifen. Stattdessen finden Bewohner (und Angehörige) in den Flurbereichen auf zwei Ebenen vielfältige kleinere Sitzgruppen, Rückzugsorte, Gemeinschaftsräume mit und ohne Fernseher. Auf einem Sofa hat es sich eine Bewohnerin zum Schläfchen bequem gemacht – kein Problem. Den individuellen Bedürfnissen der Bewohner soll größtmöglich Rechnung getragen werden, sagt Björn Cranen. Ein großer zentraIer Gemeinschaftsraum bringe vielfach zu viel Unruhe mit sich, werde zum Sammelplatz für Bewohner und Besucher, berichtete Cranen über Erfahrungen. Daher habe man das Raumkonzept nun variiert.
Auf jeder Tür der angrenzenden Bewohnerzimmer vermitteln nicht nur Name und Foto den Bewohnern Orientierung, auch ein Ortsschild der Heimatgemeinde und Erinnerungsfotos, die den Senioren besonders lieb sind, sieht man dort, wie Laura Gerads vom Sozialtherapeutischen Dienst des Hauses den Gästen zeigt. Sie dürfen auch einen Blick in die wohnlich gestalteten Zimmer werfen und in ein spezielles Palliativzimmer (Mowa-Living-Zimmer). Es verschafft Bewohnern bei Angstzuständen oder schwerer Demenz durch Foto- und Farbprojektionen, Musikeinspielungen und (möglichen) Dufteintrag Beruhigung. Zwei solche Zimmer gibt es im Hause. Die Einrichtung pflege auch erfolgreich Kontakte zu Schulen der Stadt und dem Awo-Kindergarten, und oft geht es mit Bewohnern in die Stadt zu den örtlichen Festen. Auch kreative Freizeitangebote im Hause sind selbstverständlich.
Die Verweildauer der Bewohner aber wird immer kürzer (durchschnittlich acht bis 12 Monate), weil viele Demenzbetroffene heute so lange wie möglich zu Hause oder in allgemeinen Seniorenheimen betreut werden. „Das ist auch gut so“, betont Cranen. Allerdings wachse der Bedarf an spezialisierter Betreuung in Pro 8-Einrichtungen, weil die Zahl der Menschen mit fortgeschrittener Demenz zunimmt und Angehörige dann oft überfordert sind. Die Warteliste des SZB umfasst neben Betroffenen aus der Region denn auch Menschen aus den angrenzenden Kreisen, sagt Marcel Driessen. Weitere Demenz-Einrichtungen der Gruppe sind geplant.
Claudia Middendorf, die später zur Gruppe stieß, bestätigte den größer werdenden Bedarf an differenzierter Betreuung für Menschen mit komplexen Beeinträchtigungen, auch (alten) Menschen mit psychischen Erkrankungen – ohne den Inklusionsgedanken dabei zu vernachlässigen. „Wir brauchen spezialisierte Einrichtungen mit einem angemessenen Personalschlüssel (1:3)“, sagte sie. Das Problem freilich seien die fehlenden Fachkräfte. Die neu strukturierte Pflegeausbildung müsse sich gerade auch auf Menschen mit vielschichtigen Beeinträchtigungen einstellen.