Initiative „OutInChurch“ beschäftigt jungen Wassenberger Schwul und fromm – das passt zusammen

Wassenberg · Armin Pfennings (17) aus Birgelen ist überzeugter Katholik und Messdiener aus Leidenschaft. Die Initiative „OutInChurch“, die nicht heterosexuellen Priestern und Kirchenbeschäftigten eine Stimme gibt, macht ihm Hoffnung.

Armin Pfennings aus Birgelen ist aus Überzeugung Messdiener – und schwul.

Armin Pfennings aus Birgelen ist aus Überzeugung Messdiener – und schwul.

Foto: Laaser, Jürgen (jl)

Die Initiative „OutInChurch“,  bei der sich gerade an die 130 Priester und Beschäftigte katholischer Einrichtungen offen über ihre nicht heterosexuelle Orientierung geäußert haben, hat, zusätzlich zu den Missbrauchsskandalen, der Diskussion über die Zukunft der dringend reformbedürftigen katholischen Kirche einen weiteren Schub gegeben. Armin Pfennings aus Birgelen freut sich besonders darüber. Der 17 Jahre alte Messdiener, der sich offen zu seiner Homosexualität bekennt, versteht es, mit Leidenschaft über seinen Glauben und Gott zu reden, er engagiert sich aber auch politisch für die Anliegen junger Leute als Vorstandsmitglied bei den Grünen in Stadt und Kreis und unterstützt nicht heterosexuelle Jugendliche im Geilenkirchener Regenbogentreff.

Aber der Glaube hat seit der Kommunionzeit eine besondere Bedeutung für ihn. „Seit dieser Zeit fühle ich mich von Jesus, seiner Botschaft und den Ritualen im Gottesdienst angezogen. Ich habe sogar mehr als einen Gottesdienst am Wochenende besucht, mein Kommunionheft war voller Stempel.“ Da lag es nahe, dass er sich anschließend auch in die Messdienerschaft mit Leib und Seele einbrachte. Das gilt bis heute. Auch dass er bei größerer Offenheit seiner Kirche gerne Priester geworden wäre und diesen Beruf nach wie vor als seinen Traum bezeichnet, will so gar nicht in die gängigen Klischees passen, die die Gesellschaft mit schwulen Aktivisten verbindet. Armin, an dessen Elternhaus die Regenbogenfahne weht,  will sich durch Offenheit dafür einsetzen, dass seine Kirche ihre Haltung nicht heterosexuellen, queeren Menschen gegenüber ändert und auch die Segnung schwuler und lesbischer Paare endlich offiziell erlaubt.

Aber das passt natürlich nicht allen, die zur Kirche gehen. Armin erfuhr als offen schwuler Messdiener gleichermaßen Zuspruch wie vehemente Ablehnung – und die kam auch aus Kirchenkreisen. Überwältigt war Armin dagegen von der Solidarität der Jungen und Mädchen in der Messdienerschaft, die sogar eine Art Dienststreik für ihren schwulen Kollegen initiierten. Hoffnung macht Armin auch die Haltung des Aachener Bischofs Helmut Dieser, der als einziger deutscher Bischof dazu bereit war, in der ARD-Fernseh-Dokumentation „Wie Gott uns schuf“ zur Outing-Aktion der aktiven Katholiken selbstkritisch Stellung zu beziehen. Respekt auch für den aus Birgelen stammenden Heinsberger Propst und Regionaldekan Markus Bruns, der sich in seiner Sonntagspredigt am 30. Januar für eine Kurskorrektur seiner Kirche aussprach.

Dass Armin Pfennings heute so selbstbewusst für sein Anliegen eintritt, hat eine längere Vorgeschichte, an deren Beginn auch bei ihm die von betroffenen Jugendlichen so oft geschilderte Einsamkeit und Unsicherheit standen, ausgelöst durch das Gefühl, anders zu ticken als der Großteil der Altersgenossen. „Ich fühlte mich damals richtig mies, die Schulnoten waren im Keller.“ Erst als er mit 13 Jahren seine Homosexualität in der Familie und später auch in der Schule offenlegte, änderte sich das.  „Es war das Beste, was ich tun konnte“, sagt Armin und erzählt über sein spontanes Outing in einer Sexualkunde-Vertretungsstunde in der 7. Stufe der Betty-Reise-Gesamtschule, unterstützt  von einer sehr kommunikativen Lehrerin. Noch später auf dem Schulhof sei er mit Fragen überhäuft worden. „Nervige Klischees und Vorurteile über Schwule kamen da ebenso zur Sprache wie echtes Interesse und Zuspruch. Aber es war mir wichtig, alles zu beantworten“, sagt er. Später hat er ein wissenschaftliches Unterrichtsreferat über Homosexualität gehalten und diverse Schulaktionen  gegen Homophobie mitgestaltet. Nach dem Realschulabschluss an der Wassenberger Gesamtschule 2021 wechselte Armin ans Erkelenzer Berufskolleg, wo er nun im Fachbereich Gesundheit und Soziales das Fachabitur anstrebt. Gern würde er später etwa als Erzieher mit Kindern und Jugendlichen arbeiten.

Mutter Birgit und ihr Lebensgefährte, die beide im Regenbogenzentrum mitarbeiten, und auch die 71-jährige Oma unterstützen Armins Einsatz in und außerhalb der Kirche. „Mein Lebensgefährte trat durch Armins Überzeugungskunst kürzlich sogar erst in die Kirche ein“, berichtet Birgit Pfennings. „Ich bin stolz darauf, wie mein Sohn seine Meinung vertritt, auch wenn ich ihn manchmal sogar etwas bremsen muss. Aber es wird sich in der Kirche nichts ändern, wenn man nicht offen über die Probleme spricht.“

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