Projekt des Heimatvereins Wassenberg Die unbekannte Heimat entdecken

Wassenberg · Immer mehr Menschen wissen recht wenig über ihren Wohnort. Der Heimatverein Wassenberg will daher gezielt auf Vereine und Jugendorganisationen zugehen. „Ich lerne meine Heimat näher kennen“ lautet das Motto.

 Walter Bienen (re.) und Oliver Hermanns, der neue Vorsitzende des Heimatvereins und sein ebenfalls neu gewählter Stellvertreter, mit römischen Scherben aus Orsbeck.

Walter Bienen (re.) und Oliver Hermanns, der neue Vorsitzende des Heimatvereins und sein ebenfalls neu gewählter Stellvertreter, mit römischen Scherben aus Orsbeck.

Foto: Angelika Hahn

Die eigene Heimat und Lebensumgebung zu erkunden, ihrer Geschichte nachzugehen, Schönheiten, Eigenheiten und Veränderungen mit offenen Augen wahrzunehmen, das ist für Walter Bienen (70), den neuen Vorsitzenden des Heimatvereins Wassenberg, seit jungen Jahren selbstverständlich. Und gerade deswegen sieht Bienen mit einiger Sorge, wie immer mehr Menschen ihre nahe Heimat rund um den Wohnort kaum mehr kennen und wenig Interesse haben, mehr über die Ortsgeschichte zu erfahren. „Mein Ziel ist es, mehr Mitbürger für die Geschichte Wassenbergs zu interessieren“, sagt er.

Unter dem Motto „Ich lerne meine Heimat näher kennen“ will er deshalb gemeinsam mit dem ebenfalls kürzlich frisch gewählten neuen zweiten Vorsitzenden Oliver Hermanns und den Vorstandskollegen in den nächsten Monaten ganz gezielt auf Vereine, Schulen, Jugendgruppen, Parteien und Kirchengemeinden zugehen und dort die Angebote des Heimatvereins vorstellen, vor allem die mittlerweile zehn Themenführungen, die er selbst und sein Vorgänger (und jetziger Ehrenvorsitzender) Sepp Becker anbieten. Sie reichen von der Erkundung des mittelalterlichen Wassenbergs mit Bergfried und Stadtmauer bis hin zur Geschichte der Dachziegelherstellung in den „Panneschöpp“. Bienen, selbst gelernter Tischler, führt auch als Wandergeselle früherer Zeit in stilechter Montur durch die Stadt und erzählt über den Alltag der Handwerker.

Sepp Becker wird auch künftig weiterhin mit Kindern und Jugendlichen die Stadt erkunden. „Und wir werden offen sein für neue Vorschläge und Interessen, die an uns herangetragen werden“, sagt Bienen, der 2011 die Leitung der beliebten Mundartabende des Heimatvereins von Karl Lieck übernahm. „Auch Mundart ist für mich identitätsstiftend, bedeutet Heimat“, sagt Bienen.

Der Heimatverein ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen, zählt mittlerweile 545 Mitglieder. Ein mit über 100 Teilnehmern proppenvoller Saal bei der jüngsten Jahresversammlung zeigte den Stellenwert des Vereins in der Stadt, zu deren Gestaltung (u.a. Burgberg, Synagogen-Gedenkstätte) er mit vielen Impulsen beiträgt. Aber auch das ist eine Tatsache: Das Gros der Heimatfreunde ist – hier wie andernorts – über 50. Die Generation der 25 bis 45-Jährigen in der „Rushhour“ des Lebens scheint mit Beruf und Familie zu ausgelastet, um sich der Heimatgeschichte zu widmen.

Oliver Hermanns kann sich vorstellen, ins Stadtführerteam einzusteigen mit neuen Akzenten, die er auch jüngeren Teilnehmern vermitteln möchte. Mit 48 Jahren gehört der Metzger aus Birgelen, Spross einer in der Stadt alteingesessenen Metzgerfamilie und heute Abteilungsleiter bei Rewe, zur jüngeren Generation der Vereinsmitglieder. „Als Kinder haben wir besonders gern in den Bunkerresten gespielt, das war spannend. Später habe ich dann mit einem historischen Buch über Bunker und den Westwall die Gegend erkundet. So wurden der Zweite Weltkrieg und seine Auswirkungen auf die Stadt ein interessantes Thema für mich.“ Auch den Erzählungen der Oma von früher lauschte er immer wieder gern.

Ebenso wie Bienen. Deshalb setzt er auch heute auf die anschauliche Vermittlung des persönlichen Erlebens bei seinen Stadtführungen: Wie sah das früher hier aus, wie habe ich das als Kind erlebt? „Für mich ist es unheimlich wichtig, als Einheimischer durch die Stadt zu führen und von früher zu erzählen.“ Die Anschaulichkeit darf für Bienen dabei aber nicht auf Kosten der Geschichtstreue gehen. „Die Fakten müssen stimmen, und wo sie nicht eindeutig sind, muss das auch so vermittelt werden“, betont der pensionierte Berufsschullehrer, dessen bewegter beruflicher Weg als Handwerker (Tischler, Meister im Rolladen- und Jalousienbau), hauptberuflicher Jugendleiter (CAJ-Sekretär) und Zollbeamter begann, bevor er nach dem Abitur am Abendgymnasium Aachen an der dortigen TH fürs Lehramt an berufsbildenden Schulen studierte – und dabei das wissenschaftliche Interesse an der Geschichte entdeckte. Der Forschergeist blieb. Gerade bereitet Bienen die Veröffentlichung seines neuen Buches über das 1977 abgerissene Marienhaus vor, in dem er – wie viele Altersgenossen – geboren wurde.

 Heimatlogo-Herz_SERIE

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Foto: RP/Podtschaske , Alicia

Oliver Hermanns machte vor einiger Zeit auf sich aufmerksam, als er seine (mit Erlaubnis der Amtes für Bodendenkmalpflege) selbst ergrabenen römischen Funde (Scherben und Münzen) im Rathaus-Foyer ausstellte. Denn die Antike ist das zweite Gebiet, das den Birgelener fasziniert. Besonders stolz zeigt er ein Handy-Foto seines kostbarsten Fundes: ein Fragment eines keltischen Armreifs in den Wassenberger Farben blau und gelb. Gern möchte er mit seiner Entdeckerfreude auch jüngere Menschen anstecken. Die neue Kampagne „Ich lerne meine Heimat näher kennen“ könnte die Gelegenheit dazu bieten.

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