Vortrag in Birgelen Vergebung kann erlernt werden

Birgelen · Der pensionierte Arzt Professor Helmut Renner berichtete auf Einladung von Propst Wieners in Birgelen über die Kraft des Vergebens – und über ernsthafte gesundheitliche Konsequenzen, die das Nicht-Vergeben zur Folge haben könne.

 Professor Helmut Renner erläuterte in gut besuchten Vorträgen, das ungelöster Groll und Zorn krank machen können. Abhilfe könne seiner Meinung nach der Prozess des Vergebens schaffen.

Professor Helmut Renner erläuterte in gut besuchten Vorträgen, das ungelöster Groll und Zorn krank machen können. Abhilfe könne seiner Meinung nach der Prozess des Vergebens schaffen.

Foto: Ruth Klapproth

Wenn Nicht-Vergeben krank macht: Professor Helmut Renner, 32 Jahre lang Chefarzt der Strahlentherapie und Leiter der Klinik für Radioonkologie am Städtischen Klinikum Nürnberg, folgte jetzt einer Einladung der Wassenberger Pfarrei St. Marien. In der Aula der Grundschule Birgelen machte der Mediziner, der seit seinem Ruhestand im Juli 2008 im schweizerischen Luzern lebt, in vier gut besuchten Vorträgen deutlich, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Vergebung und dem leiblichen sowie seelischen Wohl.

Vergebung bezeichnete der pensionierte Arzt als „Arzneimittel ohne Risiken und Nebenwirkungen“. Wobei es eine zwingende Notwendigkeit gebe, sich zu entscheiden – möchte man lieber vergeben oder verbittern? „Innerer Frieden kann nur durch vollständige Vergebung erlangt werden“, betonte Helmut Renner, der auch ein Buch zu dem Thema geschrieben hat (“Vergebung“, erschienen im Danielis-Verlag).

Der Radiologie-Experte berichtete von seinen Gesprächen mit früheren Patienten, Krebs im Endstadium lautete oft die hoffnungslose Diagnose. „Vergeben macht glücklich“, schilderte er seine Erfahrungen im Umgang mit Sterbenden, die sich befreit gefühlt hätten, nachdem sie bereits Verstorbenen oder noch Lebenden verziehen hätten. Weiterhin stellte der Arzt fest, dass rund 80 Prozent der in der Hausarzt-Sprechstunde festgestellten Krankheiten keine organische Ursache hätten. Helmut Renner, der den Kontakt zu Propst Thomas Wieners bei einer gemeinsamen Fortbildung knüpfte: „Das Nicht-Vergeben kann krank machen.“ Groll, Ärger, Zorn, Hass und innerer Unfrieden führten zu Dauerstress – eine Art Kettenreaktion, bei der die kleinen Blutgefäße in Gehirn und Herz eingeengt würden. Die Folge: Anstieg des Blutdrucks. „Das ist ausgesprochen schädlich.“ Renner berichtete von der Vergebungsforschung, die in Europa noch weitestgehend unbekannt, in den USA aber schon längst als Wissenschaft anerkannt sei mit eigenen Lehrstühlen. „Durch Dauerstress werden Energien und Ressourcen unnötig verbraucht“, hat der frühere Chefarzt festgestellt. Diese seien eigentlich notwendig für die Abwehr und Heilung von Krankheiten. Nicht-Vergebung kann nach der Einschätzung des Referenten zahlreiche Erkrankungen auslösen. Als Beispiele hierfür nannte er unter anderem Herzinfarkte, Schlaganfälle, Schilddrüsen-Überfunktion, Muskelverspannungen, Depressionen und so genannte posttraumatische Verbitterungsstörungen, die Ärzte in Berlin im Rahmen einer Studie bei früheren Opfern des SED-Regimes der DDR festgestellt hätten. Etwa 30 Prozent der Rückenschmerzen seien auf psychologische Ursachen zurückzuführen. Und auch Krebs entsteht laut Renner auf diese Weise. Besonders Brustkrebs habe psychologische Ursachen.

Vergebung sei ein „Willensakt des Verstandes“, der in den „grauen Zellen“ stattfinde. Ein mentales Problem werde verstandesmäßig verarbeitet und gelöst. Das Thema Vergebung habe er durch seine Gespräche mit Patienten entdeckt. Vergebung könne erlernt werden, nachdem man erkannt habe, dass Ärger ein Energieräuber und möglicher Krankmacher sei. Forscher hätten dazu spezielle Kurse entwickelt, die aber nicht alle seriös seien. In diesem Zusammenhang warnte der gläubige Katholik vor esoterischen Angeboten, die okkulte Praktiken oder schamanische Rituale zum Inhalt hätten. Renner riet seinen Zuhörern in Birgelen, beharrlich zu vergeben und dabei loszulassen „Schicht um Schicht“. Danach fühle man sich frei. „Aber das ist Arbeit. Das geht nicht so locker nebenbei.“ Ziel dieses Prozesses sei ein vergebungsbereiter Mensch, der sich nicht mehr verletzen lasse. „Vergeben bedeutet aber nicht Vergessen. Unrecht darf nicht geduldet oder akzeptiert werden.“ Fremdes Fehlverhalten solle keinesfalls entschuldigt werden. Es gehe auch nicht darum, Schadensersatzansprüche durchzusetzen.

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