Brüggen Wo Brüggen nicht barrierefrei ist

Brüggen · Mit Rollstuhl, Rollator und einer Brille, die die Sehkraft reduziert, erkundeten gestern Mitarbeiter der Verwaltung und Politiker den Ortskern. Fazit: Viele Stellen sind für Menschen mit Behinderungen kaum zu bewältigen

Welche Probleme Menschen mit Behinderung tagtäglich haben, das stellten Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung und Politiker gestern bei einer Erkundung des Brüggener Ortskerns fest. Karl-Heinz Kellerhoff, Behindertenbeauftragter der Burggemeinde, möchte, dass Brüggen behindertengerechter wird. Mit Mitarbeitern aus der Verwaltung, Vertretern der Ratsfraktionen und der Geschäftsführerin der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe NRW, Annette Schlatholt, hatte Kellerhoff eine Begehung des Ortskerns organisiert.

Um sich in Menschen hineinzuversetzen, die auf Rollstuhl oder Rollator angewiesen oder erblindet sind, standen fünf Rollatoren, fünf Rollstühle und einige Brillen zur Verfügung, die eine Sehkraft von lediglich 25 Prozent imitieren. 20 Teilnehmer erkundeten so den Ort. Der erste Test erfolgte an der Eingangstür des Rathauses: Die Tür sollte ohne Einsatz der Füße geöffnet werden. Denn das können viele Rollstuhlfahrer nicht. "Bei einer Türklinke hätte man noch mehr Probleme", stellte Bürgermeister Frank Gellen (CDU) fest, der sich abmühte, ins Rathaus zu gelangen.

Weiter ging es in Richtung Ewald-Paus-Platz. Dort erklärte Kellerhof anhand von Beispielen, welche Schwierigkeiten Rollstuhlfahrer haben, in die Geschäfte zu gelangen. Eine Bäckerei hat zwar eine Rampe, die bei Bedarf nach draußen über die Stufen gelegt wird. Doch wie bei vielen anderen Geschäften auch gibt es weder im Schaufenster noch an der Tür einen Hinweis darauf. "Warum macht man keine Kennzeichnung im Eingangsbereich, dass hier eine Rampe vorhanden ist?", so der Vorschlag des Behindertenbeauftragten. Fast jeder Eingangsbereich in Brüggen hat Treppenstufen. Kaum ein Eingang ist ebenerdig angelegt.

"Es ist schon ein seltsames Gefühl, wenn man hier den schmalen Gang langfährt und um Kundenstopper herum balanciert", bemerkte Gellen, der sich an die Benutzung des Rollstuhls gewöhnen musste. Die Kundenstopper - aufklappbare Ständer mit Hinweisen auf die Geschäfte - machen auch blinden Menschen Probleme. "Wenn die dicht am Haus stehen, geht es", sagt der blinde Manfred Meyer. "Je weiter die aber in die Fußgängerzone gestellt werden, desto hinderlicher sind sie."

Weiter ging es durch die Fußgängerzone. Johannes Weiß (CDU) testete die Rampe an der Eisdiele am Nikolausplatz. Nur mit großer Anstrengung schaffte er es bis oben. "Das kostet Kraft in den Armen und man wird schon durchgerüttelt", stellte Wirtschaftsförderer Guido Schmidt, ebenfalls im Rollstuhl, fest. Optimal ist die Pflasterung für Rollstuhlfahrer in der Fußgängerzone nicht. Die Teilnehmer diskutierten über einen farblich gestalteten glatteren Streifen, der durch die Fußgängerzone führen könnte.

Bauamtsleiter Dieter Dresen trug eine Behinderungsbrille und schob einen Rollator. "Ich bin total unsicher, vor allem, wenn mir Leute entgegen kommen", erklärte Dresen. Auch Gellen testete eine solche Brille und stellte fest, wie unsicher er dadurch wird: Immer wieder schaute er auf den Boden, um sicher zu sein, dass nicht etwa eine Unebenheit zur Stolperfalle werden könnte.

Am Kreuzherrenplatz ist vor der Kirche das Pflaster abgesenkt, doch keiner der Teilnehmer schaffte es, mit dem Rollstuhl hinauf zu kommen. "Das Pflaster ist noch schlimmer als in der Fußgängerzone", fand Hanna Brückelmann, die mit einem Rollator unterwegs war. Gut durchgerüttelt wurden hier die Rollator-Nutzer. Für gesunde Menschen ist das lästig - für Menschen, die Probleme mit Gelenken, mit Hüfte oder Armen haben, kann es unangenehm werden, hier zu gehen.

Menschen mit Behinderung quälen sich mitunter die Treppe zum Kultursaal der Burg hoch, weil sie den Hinweis auf den Behinderteneingang, eine kleine Metallplatte, nicht bemerkt haben. Der Eingang ist für Rollstuhlfahrer kaum zu bewältigen, wie Weiß feststellte: "Ich habe es versucht. Auf halber Strecke bin ich herausgesprungen, weil der Rollstuhl zu kippen drohte."

(bigi)
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