Viersen "Wir sollten das Positive sehen"
Viersen · Viersens Bürgermeisterin Sabine Anemüller (SPD) warb gestern um das Engagement der Bürger. Die Stadt sei gut aufgestellt
Ein städtischer Neujahrsempfang kann viele Funktionen haben: Er kann die Bühne sein, auf der verdienten Menschen und Initiativen für ihren Einsatz gedankt wird. Er kann Wertschätzung ausdrücken - durch Einladung und Anwesenheit. Er sollte der Kontaktpflege dienen. Und im Idealfall hat er eine Kompassfunktion: Wo steht die Stadt, wo will sie hin? Welche Herausforderungen sind zu bewältigen?
In ihrer zweiten Neujahrsansprache als Bürgermeisterin machte Sabine Anemüller (SPD) gestern Abend in der Festhalle vor rund 600 geladenen Gästen deutlich, dass sie die Stadt Viersen für gut aufgestellt hält, warb um das Engagement der Bürger und äußerte sich auch zur Entscheidung des Online-Badhändlers Reuter, statt in Viersen in Bedburg zu expandieren. Und sie zeigte auf, wo sie in diesem Jahr Schwerpunkte setzen will.
"Wer mit offenen Augen durch unsere Stadt geht, sieht, wie viel gebaut worden ist und weiterhin gebaut wird", sagte Anemüller, die noch am Vortag am Spatenstich zur Klimaschutzsiedlung teilgenommen hatte. "Wir können stolz darauf sein, dass Viersen als Stadt und als Wohnort gefragt ist." Nach einer gestern vorgelegten städtischen Erhebung stieg die Zahl der Einwohner im vergangenen Jahr um 0,5 Prozent auf 76.456 Frauen, Männer und Kinder an. Das sei kein Zufall, betonte die Bürgermeisterin, sondern das Ergebnis des Engagements der großen Mehrheit der Viersener, die sich eben nicht in eine Mecker-Riege einreihten. Anemüller warb um bürgerschaftliches Engagement: "Wir meckern nicht über das, was - angeblich oder tatsächlich - fehlt, sondern wir packen an, um das Fehlende zu erreichen. Konstruktiv! Wir wollen und sollten das Positive sehen, sollten sehen, was da ist, was wir haben. Und wir wollen unsere Möglichkeiten nutzen, unsere Stadt zu gestalten und weiteres für uns alle zu erreichen."
Was will die Bürgermeisterin 2017 erreichen? Wichtig sind ihr lebendige Innenstädte in allen vier Ortsteilen. "In Süchteln habe ich den Prozess zur Gestaltung insbesondere des Innenstadtbereichs neu gestartet. Die Perspektivenplanung ist in vollem Gange - und das mit intensiver Bürgerbeteiligung." Auch in Dülken werde, gemeinsam mit Bewohnern und Geschäftsleuten, an der Belebung gearbeitet. "Der neue Edeka-Markt bringt mehr Menschen nach Dülken, nun gilt es, diese in den Ortskern bis hin zum Alten Markt zu locken. Die Konzepte sind da, die Umsetzung hat begonnen." Neue Entwicklungen werde es an der Kreuzherrenschule, an der Melcherstiege und auf dem Güskengelände geben, kündigte Anemüller an. In der Viersener Innenstadt stehe der Rathausmarkt mit seinem neuen Investor vor einem frischen Aufschwung. Anemüller: "Und im Bereich hinter Tchibo in Alt-Viersen wird die städtische Grundstücksmarketinggesellschaft Akzente setzen, um neue Formen des Einzelhandels anzulocken."
Die Bürgermeisterin ging auch auf Kritik ein, dass der Online-Badhändler Reuter in Bedburg statt in Viersen expandiert: "Es hat uns überrascht und es hat mich auch persönlich getroffen, weil wir als Verwaltung hier einen guten Job gemacht haben", erklärte Anemüller. "Ich muss aber hier ganz klar sagen: Es war unsere und insbesondere meine Aufgabe, hier die Anwohnerinnen und Anwohner anzuhören und ihre Bedenken ernst zu nehmen." Das sei geschehen. "Wir haben viele Kompromisse in die Planung aufgenommen. Herr Reuter hat eine unternehmerische Entscheidung getroffen. So bedauerlich das sein mag: Ich kann und werde nicht verhindern, dass Menschen ihre Rechte wahrnehmen und im Zweifel auch vor Gericht ziehen", betonte Anemüller und erhielt dafür Beifall aus dem Publikum. Die Entscheidung von Reuter sei mitnichten eine Art Super-GAU, wie es der Beiratsvorsitzende der städtischen Grundstücks-Marketing-Gesellschaft, Paul Mackes, im Interview mit unserer Redaktion genannt hatte. "Ich bin sicher, dass wir die beschlossene Flächen-Erweiterung auf dem Markt erfolgreich anbieten können", so Anemüller. Applaus erhielt die Bürgermeisterin auch für ihre Aussage, die Menschen in Viersen sollten weiterhin eine offene Gesellschaft bilden, die zugleich ihre Werte verteidigt. "Hier müssen wir eine gute Balance finden, mit der wir rechten Strömungen und populistischen Tendenzen entgegentreten können." Sie lobte: "Wir alle haben es gemeinsam geschafft, die ankommenden geflüchteten Menschen gut aufzunehmen - nicht nur Behörden und Sozialverbände, sondern auch ganz viele ehrenamtlich tätige Menschen aus unserer Mitte." Anemüller forderte: "Seien wir ehrlich: Niemand von uns hat auf etwas verzichten müssen, weil wir Menschen Zuflucht und Sicherheit gegeben haben."