Schulen in Viersen Viersener Schulen gegen Sucht

Viersen · Sechs weiterführende Schulen in Viersen haben ein Netzwerk zur Suchtprävention gegründet. Das Ziel: Offen mit dem Thema umgehen und Betroffenen helfen.

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Cannabis, Kokain, Speed, Ritalin – an den Schulen in Viersen sind verschiedene Drogen und Medikamente im Umlauf. Manche sollen der Leistungssteigerung dienen, andere sollen beruhigen, betäuben, berauschen. Nicht erst seit gestern gibt es Schüler, die kiffen, chemische Drogen nehmen oder Alkohol trinken. Aber: Was bisher eher  nach außen hin verschwiegen wurde, soll jetzt offen thematisiert werden. „Wir sagen, dass wir Probleme haben. Das ist ein wichtiger Schritt“, erklärt Herbert Welter, Beratungslehrer am Clara-Schumann-Gymnasium. Daniel Jansen, Sozialarbeiter am Albertus-Magnus-Gymnasium, ergänzt: „Wir möchten signalisieren, dass wir uns dem Problem stellen.“

Um der Sache Gewicht zu verleihen, sich gegenseitig zu unterstützen und gemeinsam Projekte anzuschieben, haben sechs weiterführende Schulen im vergangenen Jahr ein Netzwerk gesponnen. „2019 haben wir konzeptionell gearbeitet“, sagt Jansen. Was die Teilnehmer bisher erarbeitet haben, soll nun nach und nach in den Schulalltag integriert werden.

Wie viele Schüler Drogenprobleme haben, sei nicht verlässlich zu beziffern, erzählt Welter. „Wir sprechen da aber von einer Minderheit“, betont Jansen. Warum sich die Schulen dann überhaupt die Mühe machen und Konzepte entwickeln statt das Problem an die Eltern zu verweisen? „Ich sehe das schon als unsere Aufgabe, präventiv zu arbeiten“, sagt Esther Bredt, Sozialpädagogin an der Anne-Frank-Gesamtschule. „Die Schulen müssen zumindest für das Thema sensibilisieren“, ergänzt sie. „Oftmals wenden sich Eltern auch Hilfe suchend an Klassenlehrer.“ Manchmal seien Eltern überfordert, ergänzt Welter: „Schule bekommt in immer mehr Bereichen Erziehungsverantwortung zugeschrieben.“ Und Jansen betont: „Wir möchten uns der Verantwortung nicht entziehen.“

Die Idee, sich zu vernetzen, sei durch eine Kooperation mit der Jugendpsychiatrie der LVR-Klinik Viersen entstanden, erläutert Welter. Das Clara-Schumann-Gymnasium nehme seit 2015 regelmäßig junge Patienten von dort als Schüler auf. In einem Gespräch mit LVR-Mitarbeitern sei zur Sprache gekommen, dass in der Klinik vermehrt Schüler der Viersener Schulen mit Suchtproblemen behandelt würden. „Daraus ergab sich die Idee, dass sich mal alle Beteiligten an einen Tisch setzen“, sagt Welter. Gemeinsam beschlossen sie, über schulinterne Projekte hinaus zu handeln. Unter anderem Polizei, Jugendamt, LVR und die Schulleiter seien eingebunden worden, außerdem die Drogenberatungsstelle „Kontakt-Rat-Hilfe“ (KRH) Viersen, erzählt Welter.

Zum neu entwickelten Konzept der Schulen gehört, Eltern der Siebtklässler bei einem Informationsabend mit Vertretern von KRH für das Thema Sucht zu sensibilisieren. „Wir möchten den Eltern an die Hand geben, an wen sie sich bei Problemen wenden können“, sagt Andrea Windhövel, Beratungslehrerin mit Schwerpunkt Suchtprävention am Erasmus-von-Rotterdam-Gymnasium. Darüber hinaus haben die Netzwerker eine gemeinsame Suchtvereinbarung erarbeitet, die alle Schüler – meist in der fünften Klasse – , ein Erziehungsberechtigter und der Klassenlehrer unterschreiben müssen. Darin werden drei Handlungsanleitungen formuliert und erläutert: „Wir sind gesprächsbereit“, „Wir schauen hin – nicht weg“, „Wir lassen’s sein“.

  Netzwerker (v.l.): Daniel Jansen (Albertus-Magnus-Gymnasium), Andrea Windhövel (Erasmus-von-Rotterdam-Gymnasium), Esther Bredt (Anne-Frank-Gesamtschule), Herbert Welter (Clara-Schumann-Gymnasium).

Netzwerker (v.l.): Daniel Jansen (Albertus-Magnus-Gymnasium), Andrea Windhövel (Erasmus-von-Rotterdam-Gymnasium), Esther Bredt (Anne-Frank-Gesamtschule), Herbert Welter (Clara-Schumann-Gymnasium).

Foto: Nadine Fischer

Seit Beginn des Schuljahres setzen die Schulen die Vereinbarung zur Suchtprävention ein. „Ich hatte  schon vier Fälle, die ohne die Vereinbarung nicht bei mir gelandet wären“, sagt Welter. Seit Jahresanfang haben die beteiligten Schulen außerdem für Lehrer eine einheitliche „Handlungsempfehlung für den Umgang mit suchtmittelbedingten Verhaltensauffälligkeiten“. Darin ist beschrieben, wie Lehrer reagieren sollen, wenn sie vermuten, dass ein Schüler Drogen nimmt. Dass es eine einheitliche Empfehlung gebe, biete vielen Kollegen Sicherheit, erläutert Welter. Ob der Leitfaden dazu beiträgt, dass Schüler tatsächlich kooperieren und ihr Verhalten ändern, muss sich noch zeigen. Die Netzwerker sehen es realistisch: Eine drogenfreie Schule sei eine Utopie, sagen sie. „Suchtbefreiung hängt von vielen Faktoren ab. Schule kann dabei nur einen kleinen Beitrag leisten“, ergänzt Bredt.

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