Niederkrüchten Wo sechs Rinder Naturschutz betreiben

Im früheren Treibstoffdepot der britischen Luftwaffe in Arsbeck sorgt der Overhetfelder Landwirt Helmut Jakobs mit seinen Rindern für den Erhalt der Heidelandschaft. Der Forst hilft dabei.

 Zaungäste: Eine Wandergruppe und Landschaftspflege-Rinder mitten im ehemaligen Depot.  

Zaungäste: Eine Wandergruppe und Landschaftspflege-Rinder mitten im ehemaligen Depot.  

Foto: Manfred Meis

Vor dem Stacheldrahtzaun bückt sich Brigitte Szyska und zupft einige Halme Pfeifengras: „Mit diesen Gräsern war die ganz Fläche bewachsen“, erläutert die Mitarbeiterin der Biologischen Station Haus Wildenrath und zeigt auf die Wiese hinter dem Stacheldrahtzaun: Nichts mehr davon ist zu sehen, stattdessen blicken die Wanderer auf zufrieden fressende Rinder und ihren schon recht kräftigen Nachwuchs. Helmut Jakobs, Landwirt in Elmpt-Overhetfeld, hat die Tiere mit lauten Rufen angelockt und ihnen als Belohnung einen Eimer voller trockener Brötchen ausgeschüttet.

Die Herde, bestehend aus je sechs Rindern und Kälbern, nähert sich nur vorsichtig. Denn so viele Menschen auf einmal sehen die Tiere nur selten. Sie weiden hinter einem Stacheldrahtzaun im ehemaligen Treibstoffdepot der britischen Luftwaffe (RAF) zwischen Oberkrüchten und Arsbeck, das dann noch einmal weitgehend eingezäunt ist, weil die deutschen Behörden nicht wissen, „was noch irgendwo im Boden liegen könnte“, erklärt Martin Wingertszahn, Mitarbeiter der Abteilung Bundesforst der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) kümmert sich über ihre Tochter Naturerbe GmbH auch um das „Naturerbe Arsbeck“, das langfristig als Ort der biologischen Vielfalt erhalten werden soll.

Das muss manchmal mechanisch geschehen, wenn Neophyten in den heimischen Wald eindringen. Als solche gelten auch die Bambussträucher, die im Bereich östlich des Wanderparkplatzes an der B 221 neben der alten Landwehr mit uralten Eichenbäumen wachsen. Sie müssen entfernt werden, ebenso wie nicht heimische Baumarten und Nadelhölzer, „um naturnahe Waldbestände zu entwickeln“.

Um den Einsatz der Kettensäge zu minimieren, werden westlich der B 221 Rinder und Ziegen als Landschaftspfleger eingesetzt. Helmut Jakobs, Landwirt in Elmpt-Overhetfeld, lässt dort auf 18 Hektar seit rund drei Jahren Bayerisches Alpenfleck-Vieh grasen, in der Fleisch-Variante und hornlos. Der 55-Jährige, der an der Dilborner Straße noch 65 Milchkühe stehen hat, sieht sich als konventionellen Landwirt, der zur Versorgung mit Lebensmitteln beizutragen hat, doch auch „mit der Natur in der Natur“ leben möchte. Er sieht ganz unromantisch, „dass die Tiere eines Tages sterben müssen, aber dann haben sie ein schönes Leben gehabt“.

Dieses Leben der Rinder und etlicher Ziegen verschiedener irischer und niederländischer Arten auf 18 Hektar im Wald steht unter ständiger Beobachtung. Jeden Tag kontrolliert Jakobs die Herden und ist dann erfreut, dass die Geburt eines Kalbes am Freitag letzter Woche komplikationslos geklappt hat. „Die Herde hätte mich auch gar nicht drangelassen“, vermutet er, denn sie bilde dann eine Schutzeinheit nach außen. Diesen „Urinstinkt“ hat er auch einmal beobachtet, als sich eine Wildschweinrotte näherte: „Es ist bewundernswert, wie die Tiere dann zusammenhalten.“

Die Rinder – und auch die Ziegen – sorgen dafür, dass sich Sträucher wie die Traubenkirsche oder Brombeeren nicht ausbreiten können. Rinder knabbern das Astwerk der Laubbäume an bis zur erreichbaren Höhe, doch auch Kiefernnadeln sind vor allem im Frühjahr ein besonderer Genuss, haben die Naturschützer beobachtet. Die Tiere leben das ganze Jahr über unter freiem Himmel (Schutzhütten werden verschmäht) und machen es sich im Winter in Farninseln bequem, weil es dort „von unten her warm ist“, wie Jakobs beobachtet hat. Gestrenge Biologen halten Farninseln nicht für standortgerecht.

Dass sich wieder Rinder im ehemaligen Treibstoffdepot und Übungsgelände in Niederkrüchten aufhalten, hat erstaunenswerte Konsequenzen. Sie ziehen Fliegen und Insekten an – diese wiederum ermöglichen drei Rauchschwalbenpaaren das Nisten im ehemaligen Schießstand.

 Landwirt Helmut Jakobs inmitten seiner Rinder und Ziegen am ehemaligen Schießstand.

Landwirt Helmut Jakobs inmitten seiner Rinder und Ziegen am ehemaligen Schießstand.

Foto: Manfred Meis

Dieser Schießstand mit viel Beton und auch reichlich Erdwällen liegt mitten in einem der umzäunten Weideareale, aber außerhalb der Depoteingrenzung; man kann ihn zu Fuß vom Wanderparkplatz an der B 221 aus erreichen, dort Rinder und Ziegen beobachten und zur Kenntnis nehmen, dass dieses Umweltschutzprojekt samt Elektrozaun über Solarmodul die Wertschätzung der Europäischen Union gefunden hat.

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