Viersen Wenn Körper zu Bildern werden

Viersen · Acht Städte richten das Festival Tanz NRW aus, das Anfang Mai beginnt. Viersen ist dabei: In der Städtischen Galerie wird am Sonntag eine Ausstellung mit Fotos der "Ben J. Riepe Kompanie" gezeigt, die in der Festhalle auftritt

 In der Städtischen Galerie im Park ist ab Sonntag die Ausstellung "Environment" zu sehen. Sie gibt in Fotos, Objekten und Videos einen Einblick in das Werk des Choreographen Ben J. Riepe, hier bei der Vorbereitung in der Galerie.

In der Städtischen Galerie im Park ist ab Sonntag die Ausstellung "Environment" zu sehen. Sie gibt in Fotos, Objekten und Videos einen Einblick in das Werk des Choreographen Ben J. Riepe, hier bei der Vorbereitung in der Galerie.

Foto: Busch

"Fleisch", sagt der Choreograph Ben J. Riepe, "ist das Material unseres Jahrhunderts - überall wird es bearbeitet, auf Selfies und auf Instagram, in Fitnessstudios und der Schönheitschirurgie. Früher war der Körper ein himmlisches Readymade, heute ist er ein ,work in progress'." Das eigene Ich wird kommerzialisiert. Aus solchen aktuellen Beobachtungen schöpft Riepe die Inspirationen für seine beeindruckenden Choreographien.

Zum sechsten Mal findet ab Anfang Mai das Festival Tanz NRW statt. Zwölf Tage dauert es, mehr als 50 Tanzveranstaltungen stehen auf dem Programm - und Viersen ist mit dabei: Am 5. und 6. Mai führt die "Ben J. Riepe Kompanie" unter seiner Choreographie in der Festhalle "Untitled: Persona" auf.

Schon ab Sonntag, 30. April, können Kunst- und Tanzinteressierte einen umfassenden und hoch interessanten Einblick in die Werke der Kompanie nehmen. Die Städtische Galerie im Park zeigt unter dem Titel "Environment - Eine Bestandsaufnahme zum Werk von Ben J. Riepe" eine Fülle von hervorragenden Fotografien (aufgenommen von Ursula Kaufmann), Objekten und Videos, die eindrucksvoll die ungewöhnlichen und vielfältigen Aufführungen dokumentieren.

Eine Szene aus "Untitled: Persona" lässt spontan die Assoziation zum letzten Abendmahl entstehen. Bis auf fünf Personen scheinen alle den Raum verlassen zu haben, die Zurückgebliebenen, unbekleidete Männer und Frauen, ihre Haut mit Ton bestrichen, wirken ratlos, mutlos. Sie scheinen wie aus der Zeit gefallen - und damit ähneln sie auch einem Renaissancebild. "Ja", sagt Riepe, "ich habe eine starke Bildsprache. Und natürlich befassen wir uns mit Themen wie Renaissancemalerei, Perspektive, goldener Schnitt." Doch die Dynamik der Liveperformance wird aus den Fotografien nicht ersichtlich: "Das sind bewegte Bilder, die zur Momentaufnahme wurden. Hier ist alles zu sehen - außer uns, den Tänzern." Da ist zu sehen, wie die Körper der Tänzer zum Objekt werden, aber auch zum Bild. Wie sie bekannte Bildmotive wie das oben genannte zu zitieren scheinen. Wie sie mit ihrer Umgebung verschmelzen, wenn sie sich in schwarz-weiß karierten Overalls auf dem Schachbrettmuster der Kacheln bewegen. Wie sie in ihren Kostümen verschwinden. Wie ihre Körper Projektionsflächen werden, wenn sie über einen Beamer von Bildern überlagert werden. Die Grenzen zwischen Bild und Tanz, zwischen darstellender und bildender Kunst werden aufgehoben. In den Aufführungen, erklärt Riepe, geht es um das sinnliche Erleben: Der Zuschauer hört die Musik, er sieht die Tänzer, er sitzt im gleichen Licht wie die Tänzer, manchmal auf der gleichen Ebene, er sitzt nicht in Reihen hintereinander, sondern sieht auch die übrigen Gäste. "Man ist mitten drin im Raum der Aufführung", beschreibt der Choreograph, "aber bleibt dennoch auch in seinem eigenen Raum." Es gibt viel Sinnliches zu erleben, natürlich macht man auch kognitive Erfahrungen: "Der Zuschauer entdeckt Bilder, Zitate, entdeckt, wie der Körper zum Objekt wird."

Anders als traditionelle Choreographen gibt Riepe keine feste Struktur vor. Stattdessen ist es sein Prinzip, die Stücke sich entwickeln und verwandeln zu lassen, auch in Anlehnung an den Raum, in dem sie aufgeführt werden. Gerne sucht er für seine Aufführungen ungewöhnliche Orte. Diese Vorgehensweise ist ein lebendiger Arbeitsprozess, der große Herausforderungen an Ensemble und Choreograph stellt.

Riepes Wunsch: "Der Zuschauer soll offen sein und sich öffnen für das Erleben auf beiden Ebenen, der sinnlichen und der kognitiven." Ein Statement will er nicht abgeben, sondern den Zuschauern einen freien Assoziationsraum liefern.

(b-r)
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