Andacht Was wäre, wenn Jesus heute zur Welt käme?

Viersen · Was würde passieren, wenn Jesus in unsere Zeit hineingeboren werden würde? Pfarrer Dr. Harald Ulland ist sich sicher, dass er in einfachen Verhältnissen zur Welt käme: "Gott geht den unteren Weg."

Schwalmtal "Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war." So schildert das Lukas-Evangelium die Geschichte der Geburt Jesu. Was würde passieren, wenn Jesus heute zur Welt käme, in unsere Zeit? Dieser Frage geht Pfarrer Harald Ulland nach, Synodal- assessor im evangelischen Kirchenkreis Gladbach-Neuss und zuständiger Pfarrer für die evangelischen Gemeinden in Waldniel und Alt-Niederkrüchten.

Wenn Jesus heute geboren werden würde - wer wären seine Eltern?

Dürften wir es entscheiden, würden wir Eltern aussuchen, die die Verantwortung für das Kind übernehmen können, und zwar sowohl charakterlich als auch finanziell. Mindestens aus der Mittelschicht eines wohlhabenden Landes müssten sie sein. Die Bibel erzählt, dass Gott seinen Sohn als Kind einfacher Leute in einem Stall in Bethlehem zur Welt kommen lässt. Warum eigentlich?

Würde Jesus heute geboren, wo würde er dann geboren werden?

Ich glaube, nicht in einem modernen Krankenhaus mit Chefarztbehandlung. Gottes Sohn würde auch heute in einfachen oder gar prekären Verhältnisse geboren: vielleicht irgendwo am Wegesrand zwischen dem Irak und der Türkei, auf der Flucht vor dem IS-Terror. Oder in einem überfüllten Flüchtlingskahn auf dem Mittelmeer. Oder an einem verschwiegenen Ort, weil seine Mutter sich zur Entbindung irgendwo versteckt, damit es keiner mitbekommt. Denn Gott geht den unteren Weg und scheut nicht vor Not und Elend zurück. Sein Licht soll die Finsternis erleuchten. Jesus wird in der Nacht geboren und der Engel verkündet: "Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr!" Und die himmlischen Heerscharen erleuchten die Nacht.

Würde Jesus heute geboren, wer würde zuerst die Nachricht erhalten?

Wichtige Nachrichten gehen zuerst an wichtige Leute. Oder an die, die am besten vernetzt sind, stets online und schnellstens informiert. Die frohe Botschaft von der Geburt Christi wird zuerst den Hirten auf dem Felde verkündet, die als raue Gesellen nicht sonderlich gut angesehen waren. Gesellschaftlich eher im Abseits. Die Freudenbotschaft geht also nicht zuerst an die schönen, reichen und bedeutenden Menschen. Sondern an die, die eher unwichtig sind im großen Spiel um Macht und Einfluss. Gott lässt sich nicht von Äußerlichkeiten blenden.

Würde Jesus heute geboren, wer wäre der Engel mit der Freudenbotschaft?

Das könnte jemand sein, der sich nicht fernhält von Menschen in ihrer Not und der in aller Finsternis das Licht sucht. Vielleicht wäre es ein Soldat, der die Wehrlosen verteidigt. Vielleicht wäre es jemand von der Ausländerbehörde oder vom Asylkreis, die die Traumatisierten freundlich empfangen. Vielleicht wäre es jemand in der Schwangerschaftskonfliktberatung, der einen Weg zum Leben aufzeigt. Vielleicht wäre es aber einfach nur einer, der zufällig vorbeikommt und spontan tut, was nötig ist, wie der in Bethlehem geborene Knabe, als er ein erwachsener Mann ist.

Würde Jesus heute geboren, wie würde er im Alter von 30 Jahren leben?

Er würde wohl genauso handeln wie damals, nämlich Licht an jeden Ort bringen, zu dem er kommt. Licht Gottes für die Schwachen und die Kinder, für die sich Jesus einsetzt. Licht Gottes für die Kranken, die er heilt, für die Fremden, die er mit offenen Armen aufnimmt, für die Sünder, für die er sich ans Kreuz nageln lässt. Licht für die Reichen, mit denen er über geistliche Schätze und eine gesunde Seele spricht. Licht Gottes sogar in der Finsternis des Todes, aus der Jesus auferweckt und am Ende auch selbst auferweckt wird.

Jesus Christus, die einzig wahre Lichtgestalt, erleuchtet die Dunkelheit des Lebens. Das ist die Freudenbotschaft von Weihnachten. Seit damals hat es immer Menschen gegeben, die in sein Licht geschaut haben. Sie wurden davon erleuchtet und dadurch mehr oder weniger selbst zu Lichtgestalten. In jedem Leben kann Gottes Licht Heimat finden, auch in unserem. Wir können es weitergeben und die Dunkelheit anderer Menschen erleuchten. Nicht nur zur Weihnachtszeit.

(RP)
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