Gastbeitrag Was sagt ein Schulleiter zu den Schülerstreiks?

Viersen · Dürfen Schüler fürs Klima demonstrieren, statt zur Schule zu gehen? Wie reagiert die Schule auf die Fehlstunden? Christoph Hopp, Leiter des Erasmus-von-Rotterdam-Gymnasiums in Viersen, nimmt in einem Gastbeitrag Stellung.

 Christoph Hopp, Schulleiter des Erasmus-von-Rotterdam-Gymnasiums in Viersen.

Christoph Hopp, Schulleiter des Erasmus-von-Rotterdam-Gymnasiums in Viersen.

Foto: Busch, Franz-Heinrich sen. (bsen)

Im Zuge der Debatte über Klimaschutz und Schulstreiks stelle ich in besonderem Maße fest, wie aufgeregt und politisierend argumentiert und wie unterschiedlich gehandelt wird. Daher möchte ich mit diesem Gastbeitrag zu gegenseitigem Verständnis und dazu beitragen, dass wir die sinnvolle Debatte für sinnvolle Veränderungen nutzbar machen.

Dass Schülerinnen und Schüler sich politisch engagieren, ist erfreulich. Es zeigt, dass unsere Jugendlichen – anders als oftmals behauptet – durchaus politisches Interesse und gesellschaftliches Engagement an den Tag legen. Es ist etwas, das wir am Viersener Gymnasium täglich vermitteln, das Ziel unseres Bildungs- und Erziehungsauftrags ist, das in fast jeder Ansprache des Schulleiters vor jungen Menschen vorkommt. Dass Schülerinnen und Schüler das für den Klimaschutz tun, ist dabei besonders erfreulich. Vor dem Hintergrund, dass es um ihren Lebensraum, ihre Welt und ihre Zukunft geht, ist es zudem in hohem Maße nachvollziehbar. Darüber, dass dieses Ansinnen berechtigt und es höchste Zeit für einen Bewusstseinswandel ist, kann es keine zwei Meinungen geben. Darüber, auf welchem Weg der Protest transportiert werden muss, hingegen schon.

 Erste „Fridays for Future“-Demonstration in Viersen. Rund 250 Menschen, die meisten davon Schüler, nahmen teil.

Erste „Fridays for Future“-Demonstration in Viersen. Rund 250 Menschen, die meisten davon Schüler, nahmen teil.

Foto: Joerg Knappe

Schule zu schwänzen, um öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen, mag ein probates Mittel der Agitation sein — um sich nachhaltig Gehör zu verschaffen, vielleicht sogar unerlässlich. Ohne den zivilen Ungehorsam unserer Schülerinnen und Schüler würden wir derzeit gar nicht über den Klimaschutz debattieren. Mit der Schulpflicht kollidiert das Blaumachen jedoch automatisch. Zum zivilen Ungehorsam gehört es konsequenterweise also auch, die Folgen unentschuldigten Fehlens zu tragen. Es gehört quasi zum Wesen des derzeitigen Protestes. Anders als an anderen Schulen, sind am Erasmus-von-Rotterdam-Gymnasium zu keinem Zeitpunkt Schulversäumnisse in Folge der Klimaproteste toleriert oder gar protegiert worden. Wir tun das, was bei der Führung eines modernen Bildungsunternehmens unser tägliches Brot ist: divergierende Interessen zusammenbringen und tragfähige Kompromisse finden. So nehmen wir sehr wohl wahr, wer ernsthaftes und im wahren Wortsinn manifestes Interesse am Klimaschutz zum Ausdruck bringen und wer als Trittbrettfahrer bequem dem Unterricht fernbleiben will. Wir sprechen mit unseren Schülerinnen und Schülern, machen eine Exkursion zur Protestkundgebung, thematisieren die Erlebnisse anschließend im Unterricht, und wir schauen sehr genau hin, wie viele Fehlstunden in Folge der Demonstrationen zusammen kommen. Wir installieren eine Arbeitsgemeinschaft „Klima“, in der junge Menschen Gelegenheit haben, sich mit allen Fragen des Klimawandels auseinanderzusetzen und selbst - auch ohne Protest - aktiv zu werden. Wir planen einen Aktionstag zum Thema, der im Unterricht vor- und nachbereitet, von der Ruhr-Universität Bochum begleitet und von lokalen Bildungspartnern unterstützt wird.

 Wie schön wäre es, wenn in diesem bedeutsamen Kontext zwischen Bildung und Klimaschutz kein künstlicher Konflikt kreiert würde, keine Gräben zwischen politischen Lagern entstünden, sondern das gemeinsame Ziel jegliches Polarisieren unmöglich machte!

Unser Gastautor ist Schulleiter des Erasmus-von-Rotterdam-Gymnasiums in Viersen

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