Evakuierung nach Bombenfund Viersener in Sorge um Hab und Gut

Viersen · 10 000 Menschen mussten nach einem Bombenfund in der Viersener Innenstadt am Montagabend ihre Häuser und Wohnungen verlassen und in Notunterkünfte gebracht werden. Ein Schock für die betroffenen Bürger.

Bombenfund in Viersen-Dülken
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Bombenfund in Viersen-Dülken

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Foto: Julia Zuew

Bei Erna Junga sitzt der Schock immer noch tief. "Ich habe schon einmal eine Flucht aus Schlesien erlebt — und dachte nicht, dass ich so etwas noch einmal durchmachen müsste", erklärt die 98-Jährige. Sie sitzt auf einer Sportbank in der Turnhalle der Sportanlage Beberich an der Brasselstraße. Als sie ihre Wohnung wegen des Bombenfunds in der Viersener Innenstadt verlassen musste, saß sie gerade beim Abendbrot. Ihre Sitznachbarin stammelt nur noch kopfschüttelnd: "Jetzt haben wir wieder Krieg."

Im Minutentakt werden Rollstühle und Kinderwagen in die Turnhalle geschoben. Das Rote Kreuz hat zusammen mit den Maltesern für 500 Personen die Notunterkunft aufgebaut. Hier müssen die Anwohner aus der Viersener Innenstadt die nächsten Stunden ausharren und warten. Holztische- und Bänke stehen bereit, eine Sanitätsstation ist aufgebaut — in der Mitte für die Kinder Teddybären, Gesellschaftsspiele und Spielzeugautos. Die Kleinsten spielen Fangen zwischen Turnmatten, Rollatoren, Hundeleinen und Krankenbetten. Sie merken nicht, dass die Eltern in Sorge sind. "Wir sind völlig durch den Wind. Und stehen jetzt im Ungewissen. Unser gesamter Besitz ist bedroht und wir mussten unseren Kater und die Vogelspinne zurücklassen, so schnell ging alles", erklärt Sven Lenzen.

Als sie gerade ihre drei Kinder fürs Bett fertig machen wollten, klingelte die Polizei an der Tür. Jetzt spielen die Kinder auf einer blauen Turnmatte "Halli Galli" — dabei merken sie nicht, was um sie herum passiert. Eine Inderin läuft mit ihrem kleinen Sohn an der Hand verzweifelt durch die Turnhalle und versucht, sich zu verständigen. Am Eingang der Halle wird derweil ein neues System für die Registrierung der Evakuierten eingeführt: Der Sanitäter fragt eine Dame im Morgenmantel nach ihrem Namen und der Adresse. Sie schüttelt mit dem Kopf: "Wo bin ich? Wer sind Sie?" Die Karte über sie wird nur mühsam ausgefüllt. Eine Schlange bildet sich am Eingang.

Auch Lisa Hoekstra steht in der Schlange. Es ist inzwischen dunkel geworden im Viersener Süden. Die ältere Dame macht sich Sorgen um ihre Mutter. Sie ist 103 Jahre alt und musste aus dem ersten Stock im Krankentransport heruntergebracht und zur Sportanlage Beberich transportiert werden. "So viel Aufregung in dem Alter. Ich bin immer noch ganz mitgenommen", erklärt die Viersenerin. Sie hatte nur noch Zeit, ein kleines Köfferchen zu packen. Lediglich die wichtigsten Papiere hat sie mitgenommen. "Aber ich hätte gerne noch meinen Schmuck mitgenommen", so Lisa Hoekstra.

(top/jco)
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