Viersen Viersener Autor erinnert an die Jugend am "Monte"

Viersen · Torsten Eßer hat ein Buch über den Spiel- und Diskutierhügel geschrieben, der von 1972 bis 1996 in der Fußgängerzone stand. Viele Viersener haben eigene Anekdoten und Bilder beigesteuert

Für die einen war er eine Spirale der Freude, für die anderen eine Spirale des Grauens: der Hügel, der 1972 in der Viersener Fußgängerzone angelegt wurde. 1996 wurde er abgerissen, heute steht dort das Café Extrablatt. Die von den Planern der Fußgängerzone als Spiel- und Diskutierhügel angelegte Beton-Schnecke war der Treffpunkt schlechthin in der Viersener Innenstadt. Dort konnte man sitzen und quasseln - kein Wunder, dass der Hügel bald Monte Quasselino genannt wurde, kurz: Monte. Der Schriftsteller Markus Orths, Jahrgang 1969, der in Viersen aufwuchs und heute in Frankfurt lebt, erklärt den Namen, hergeleitet von quasseln - eine "Disziplin, die der Viersener, ist er erst einmal aufgetaut, was eine Weile dauern kann, wie keine zweite beherrscht".

Über den Monte hat der Journalist und Autor Torsten Eßer jetzt ein Buch geschrieben. Zwei Jahre hat er recherchiert, mit vielen Zeitzeugen gesprochen, Anekdoten, Bilder und Erinnerungen gesammelt. 1966 in Viersen geboren, erlebte er die "wilde Zeit" am Monte in den 1980er-Jahren mit - damals als Schüler des Humanistischen Gymnasiums -, und bekam auch seinen ersten Kuss ("mit geschlossenen Lippen") auf dem Monte - wo sonst?

Diskutiert wurde damals nicht nur auf dem Monte, sondern auch über den Monte. Der Hügel hatte zwei Seiten - die einen liebten ihn, die anderen klagten über ihn. Diese zwei Seiten einer Medaille setzt Eßer in seinem Buch geschickt um: "Das Monte-Buch" hat zwei Teile. Im ersten Teil beschreibt Eßer die Geschichte des "Monte Quasselino" und der Viersener Fußgängerzone von 1971 bis 1996. Dreht man das Buch um, beginnt dort Teil II, für den Eßer die Anekdoten, Geschichten und Bilder derjenigen gesammelt hat, "die die Idee der Planer, einen ,Diskutierhügel' zu erschaffen, zum Leben erweckt haben".

Und die ehemaligen Kinder der 1970er- und 1980er-Jahre erinnern sich: Sie kaufen Mad-Hefte oder die "Bravo" am Büdchen, holen sich in der Pause Campingbrötchen an Charlies Büdchen, sitzen im Sommer auf dem Monte und quatschen über Musik, Mopeds, Mathe. Im Winter versuchen sie, mit Schneebällen die Glocken an der Fassade der Konditorei Hammanns zu treffen, und verbrennen nach der zehnten Klasse das verhasste Latein-Buch auf dem Monte.

Elmar Theveßen, 1967 in Viersen geboren und stellvertretender Chefredakteur beim ZDF, erinnert sich an seine Bemühungen, mit Roller-skates über die Stufen zu springen. Im Interview spricht er sich für die Anlage solcher Plätze im öffentlichen Raum aus, die mitten in der Stadt sind, die für alle da sind, Austausch ermöglichen und Zusammengehörigkeitsgefühl wecken.

Wie stark der Monte die Kinder von damals prägte, berichtet Frank Wirtz. Er erinnert sich an eine "enorm interessante Zeit", die "geprägt war von Austausch, Dialog, Neugier und einem funktionierenden moralischen Kompass. Eine analoge, haptisch und optisch erfassbare steinerne Schnecke hat vieles geschafft, was Facebook und die virtuelle Welt nicht und niemals vermögen: Viele gut geerdete Erwachsene wurden von hier ins Leben geschickt."

Im Buch treffen irgendwann beide Teile aufeinander, der nüchterne Teil um Planung und politische Diskussion, der herzerwärmende Teil der Erinnerungen. Eben dort stellt Eßer eine Forderung auf, die beide Seiten in Einklang bringen, alte Gegner und Befürworter des Monte versöhnen dürfte: "Nennt den Platz ,Monte-Quasselino-Platz'!"

(RP)
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