Kasperpuppen Die Frauen, die eine alte Tradition wahren wollen

Süchteln · Irmgard Pastors sammelt mit ihrer Schwester Christa Pastors zusammen Kasperpuppen – seit mehr als 30 Jahren. Wie es dazu kam und was sie bewegt.

 Christa und Irmgard Pastors (v.l.) mit den Handpuppen und einer ihrer Bühnen.

Christa und Irmgard Pastors (v.l.) mit den Handpuppen und einer ihrer Bühnen.

Foto: Knappe, Joerg (jkn)

Ihr Haus ist bis an den Rand mit Kartons gefüllt, in denen Handpuppen schlummern, darunter altbekannte Figuren wie der Kasper, Seppel und Räuber. Irmgard Pastors hat in den 30 Jahren, die sie als Sammlerin aktiv ist, etwa 2000 Exponate zusammengetragen. Bei ihr zu Hause liegen Hefte, Schallplatten, Bühnen und Kassetten. Alles was ein Puppenspielerherz begehrt, lässt sich dort finden — doch Irmgard Pastors ist gar keine Puppenspielerin, auch zu Puppenaufführungen geht sie nur ganz selten.

Ihr geht es um die Bewahrung einer Tradition, um Kunst und um die Wissenschaft. Irmgard Pastors sammelt Puppen schon seit drei Jahrzehnten, angefangen habe ihre Leidenschaft 1989, als sie damals noch mit DDR-Mark, eine Dresdner Künstlerpuppe in einem Kunstgewerbegeschäft in Quedlinburg im Harz erwarb. Später bekam sie zusätzlich einige geschnitzte alte Handpuppen mit hölzernen Beinen und ein hölzernes Krokodil geschenkt. „Der Grundstock für eine Sammlung war gelegt“, sagt sie schmunzelnd. Seitdem ist diese Sammlung immer weiter gewachsen. Die älteste Handpuppe in ihrem Besitz ist von Ende des 19. Jahrhunderts, die neuesten Stücke in ihrer Sammlung sind sogenannte Schmusepuppen, die auch in der Werbung genutzt werden, für Museen jedoch zu modern sind.

In ihrem Haus stehe zwar noch ein Bett, Platz zum Essen und Kochen gibt es aber nicht wirklich, das macht Irmgard Pastors bei ihrer Zwillingsschwester Christa, die nicht weit entfernt wohnt. Christa ist es auch, die Irmgard in ihrer Leidenschaft zum Sammeln unterstützt und erstmals anregte, die Puppensammlung in Museen auszustellen: „Ich hab immer gesagt, was willst du mit den ganzen Puppen, die kannst du doch besser mal ausstellen.“

Die Rollen bei den 69-jährigen Zwillingen sind klar verteilt: Irmgard ist für das Kaufen zuständig, Christa für die Restauration der Figuren und die Herstellung von Kontakten zu Museen. Die beiden teilen ein gemeinsames Interesse für Kunst und Geschichte, sind zusammen schon zu den bedeutendsten Puppenmanufakturen in ganz Deutschland gefahren und haben diese besichtigt. Christa: „Wir sind schon immer gerne gereist und in Museen gegangen.“ Diese Hobbys haben die beiden dann mit ihrer Sammler-Leidenschaft verbunden.

Zu Anfang ist Irmgard noch auf Flohmärkte und Puppenbörsen gefahren, um dort die Figuren zu erwerben, die heute kaum noch in einem Kinderzimmer zu finden seien, was sie sehr bedauert. Die Schwestern finden es schade, dass Kinder heutzutage die meiste Zeit vor Handy- oder Computerbildschirmen verbringen. Irmgard hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kasperlefiguren zu sammeln, damit diese nicht für immer verschwinden.

Sogar Anzeigen in der Zeitung habe sie aufgegeben, sagt Irmgard, das habe allerdings eher dürftigen Erfolg gehabt. Irgendwann wurde ihr das dann zu aufwendig, der Besuch von Trödelmärkten zu zeitaufreibend. Heute bietet sie zumeist bei Auktionsplattformen im Internet mit. Das sei einfacher und auch bequemer, halte aber auch so manche böse Überraschung bereit. Zum Beispiel, wenn die gelieferte Bühne in echt ganz anders aussieht, als auf dem Foto und nicht das angepriesene Original ist. Oder wenn das Heftchen mit Schriftstücken über den Kasper aus den 1930-er-Jahren kein Deckblatt mehr hat, und Irmgard „wissenschaftlich nicht belegen kann, ob das, was darin steht, auch stimmt“.

Tatsächlich weiß die langjährige Sammlerin fast alles über die Puppen und ihre anderen Exponate, kennt Hersteller, Werkstätten und Herstellungsarten. Als Irmgard mit dem Sammeln anfing, wollte sie alles über die Puppen erfahren, besorgte sich Literatur und eignete sich umfassendes Wissen über die Puppen von der Herstellung bis zum Vertrieb an: „Wenn man so ein Hobby hat, muss man schließlich auch genau darüber Bescheid wissen“, sagt Irmgard. Sie betont, dass sie bei ihren Besuchen in den bestehenden Werkstätten „stets freundlich aufgenommen wurde“ und dort „viele Informationen über meine Puppen“ erhielt.

Sie habe auch schon in regelmäßigen Abständen gleiche Puppen von ein und dem selben Fabrikanten gekauft, um zu sehen, wie sich die zur Herstellung verwendeten Stoffe mit der Zeit veränderten. Christa teilt dieses Interesse für Kunst und Geschichte, neben dem wissenschaftlichen Aspekt haben die beiden ehemaligen Bankkauffrauen vor allem auch Interesse an den Zusammenhängen auf der wirtschaftlichen Seite des Puppengeschäftes. „Wer mit wem in Konkurrenz stand, wer wen aufgekauft hat, wer bankrott gegangen ist“, das alles weiß Irmgard.

Andere Gründe für die Sammlerleidenschaft Irmgard Pastors’ liegen bei den Puppen selbst: „Ich werde oft gefragt, wieso ich darauf komme, Kasperfiguren zu sammeln“, sagt sie. Es sei die Faszination für die Gesichtsausdrücke der alten geschnitzten Handpuppen, die durch gezielte Schnitte verschieden gestaltet werden können und jede Puppe einzigartig machen. Außerdem könne man durch das Aufbewahren der Bühnen die Entwicklung des Kasperle-Theaters in den damaligen Kinderzimmern verfolgen. Diese Dinge seien es, die Irmgard immer weiter sammeln lassen: „Für manche sind es nur Püppchen, für mich steckt da viel mehr dahinter.“

Wie viel Geld sie im Laufe der Jahre auf Flohmärkten, Puppenbörsen und im Internet für ihr Hobby ausgegeben hat, kann Irmgard nicht sagen. Christa findet auch nicht, dass das eine wichtige Rolle spielt: „Fragen Sie doch mal einen Raucher, wie viel der dafür ausgibt,“ sagt sie lachend. Für manche wertvolle Puppen habe Irmgard dann auch mal 100 Euro bezahlt, doch das sei eher der Ausnahmefall. Auch weiß sie nicht, wie viele Sammler es gibt, sondern nur, „dass dann jemand mitbietet, drei Sekunden vor Auktionsende einen höheren Betrag setzt und so schnell wie die jungen Leute bin ich im Internet ja auch nicht“. Einen Schlussstrich beim Sammeln will sich Irmgard nicht setzen: „Wenn ich das Sammeln einmal satt bin, dann bin ich es satt, dann hör´ ich eben einfach auf.“

 Irmgard Pastors kann alle Fragen von historischem Hintergrund bis zur Herstellungstechnik ihrer Puppen genau beantworten.

Irmgard Pastors kann alle Fragen von historischem Hintergrund bis zur Herstellungstechnik ihrer Puppen genau beantworten.

Foto: Knappe, Joerg (jkn)

Ein Ende ist für die beiden Schwestern in nächster Zeit nicht in Sicht, zur Zeit freuen sich Irmgard und Christa auf die zweite Ausstellung ihrer Exponate, die am Sonntag im LVR-Freilichtmuseum Kommern eröffnet wird. Für die Ausstellung haben die Ausstellungskuratoren Sabine Thomas-Ziegler und Matthias Fieder Irmgard Pastors zu Hause besucht und an verschiedenen Tagen ihre Sammlung gesichtet und anschließend entsprechende Handpuppen für die Ausstellung ausgesucht. Christa hat für die Ausstellung sogar eigens ein Begleitbuch mit Fotos zur Sammlung verfasst, das Gäste zur Erinnerung mitnehmen können. In Kommern kann man ab Sonntag für ein knappes Jahr die Vielfalt der Handpuppen bestaunen.

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