40 Jahre nach erstem Treffen 86-Jähriger heiratet 79-Jährige in Viersen

Viersen · Liebe kennt kein Alter: Rita Lantinga und Josef Dräger haben im Evangelischen Altenzentrum in Süchteln geheiratet. Seit drei Jahren wohnen beide in der Einrichtung, sie kennen sich aber schon viel länger.

 Rita und Josef Dräger haben sich am 23. Januar im Evangelischen Altenzentrum Haus Johannistal in Süchteln das Ja-Wort gegeben.   RP-Foto: Jörg Knappe

Rita und Josef Dräger haben sich am 23. Januar im Evangelischen Altenzentrum Haus Johannistal in Süchteln das Ja-Wort gegeben. RP-Foto: Jörg Knappe

Foto: Knappe, Joerg (jkn)

Warum heiraten, im Alter von 79 und 86 Jahren? Die Frage stößt auf mildes Unverständnis: „Weil wir uns gern haben und das beide wollten“, antworten Rita Lantinga und Josef Dräger. Ein schlagendes Argument – egal wie alt die Brautleute sind. Am Donnerstag haben sie sich im Evangelischen Altenzentrum „Haus im Johannistal“ in Süchteln das Ja-Wort gegeben.

Der Alltag dort im Altenzentrum wurde vor der Trauung tüchtig durcheinander gewirbelt. Denn so ein Ereignis ist in der Einrichtung nicht gerade üblich. Für Olaf Kasten vom Sozialen Dienst des Altenzentrums sogar eine Premiere: Eine Hochzeit unter Bewohnern hat der Sozialarbeiter noch nie erlebt. Da stand einiges an Planung an, was aus dem Rahmen der täglichen Routine fiel. Kasten wurde mit einem großen Team zum Weddingplanner: Er besorgte die Geburtsurkunden aus Duisburg und Bonn, nahm Kontakt zum Standesamt auf und fuhr mit Lantinga und Dräger zum Standesamt, damit sie dort ordnungsgemäß die „Anmeldung zur Eheschließung“ unterschreiben konnten.

Kasten gelang es, die Standesbeamtin davon zu überzeugen, dass die Brautleute für eine Trauung im Standesamt vor Ort gesundheitlich allzu eingeschränkt sind. Das Standesamt entschloss sich daher zu einer außergewöhnlichen Maßnahme: Am Donnerstag verlegte die Standesbeamtin also ihren Trautisch temporär in das Restaurant des Evangelischen Altenzentrums Haus im Johannistal in Süchteln und ernannte die Brautleute dort, wo sie leben, zu Mann und Frau.

Vermutlich hätten auch all die Gäste längst keinen Platz im Standesamt gefunden: Schließlich hatten alle Bewohner und Mitarbeiter des Altenzentrums sowie die gesetzlichen Betreuer der beiden Brautleute sich zu der außergewöhnlichen Zeremonie angekündigt.

Die heute 79-jährige Rita Lantinga lernte ihren Josef vor rund 40 Jahren kennen. Beide lebten in einer heilpädagogischen Einrichtung. Beide machten an diesem Tag einen Ausflug an den Wittsee und freundeten sich an. „Alles an ihr gefällt mir“, sagt Dräger über Lantinga. „Sie hat immer gute Laune. Ich bin sehr zufrieden mit ihr.“ Und Lantinga lobt ihn: „Ich finde es toll, dass er mein Freund ist. Und dass er immer so toll angezogen ist.“ Gerne hätten sie schon damals, vor rund 40 Jahren, geheiratet. Auch als sie nicht am selben Ort lebten, trafen sie einander täglich. Dräger nahm die lange Busfahrt auf sich, um Lantinga zu besuchen und brachte ihr Geschenke mit. Doch die Zustimmung zu einer Hochzeit wurde ihnen damals schlichtweg verweigert. Mittlerweile ist das rechtlich möglich.

Seit drei Jahren leben Lantinga und Dräger in der Wohngruppe des Altenzentrums und fühlen sich hier sichtlich wohl. „Immer sitzen sie nebeneinander“, erzählt Kasten, „sie basteln gemeinsam, sie essen gemeinsam, sie sind den ganzen Tag zusammen.“ Immer wieder strahlt Dräger seine zukünftige Frau an und berührt sie zärtlich. „Herr Dräger“, weiß Kasten zu berichten, „hat ein Blumenabonnement bei der Gärtnerei Höhl am Stadtgarten.“ „Jeden Montag gehe ich unten an der Rezeption nachfragen, ob die Blumen schon da sind. Dann bringe ich sie Rita“, fügt Dräger hinzu. Und Rita Lantinga erzählt: „Zwischendurch schenke ich meinem Schätzchen auch mal was!“ Das besorgt Mitarbeiterin Petra dann aus der Stadt.

Viele Mitarbeiter waren in die Hochzeitsvorbereitungen eingebunden: Mitarbeiterin Lisa kaufte Lantinga ein graues Hochzeitskleid, Kollegin Nicola war dafür zuständig, der Braut die Nägel zu machen, ihr Blumen ins Haar zu stecken und sie zu schminken. Josef Dräger hatte sich einen neuen Anzug mit Hemd, Krawatte und Weste besorgt. Er war vor der Trauung nicht aufgeregt, seine Zukünftige schon: „Ein bisschen.“

Übrigens war eine Bemerkung von Pfleger Konrad der Auslöser für alles: Er hatte sich gewundert, warum Lantinga und Dräger noch nicht verheiratet sind. Schließlich sind sie seit 40 Jahren dicke Freunde. Also fragte Dräger beim Frühstück seine Rita, ob sie ihn heiraten wolle. Und sie hat ja gesagt. Also sollte Konrad Drägers Trauzeuge sein. Die Ankündigung verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Altenzentrum. Alle seien einverstanden gewesen, betonen Lantinga und Dräger.

Also warum heiraten? Im Alter von 79 und 86 Jahren? Weil Rita Lantinga und Josef Dräger einander gern haben und weil ihnen der Wunsch danach, diese Zuneigung und Sympathie öffentlich und offiziell zu machen, über Jahrzehnte verwehrt worden ist. War wirklich eine überflüssige Frage!

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