Wohnen auf kleinstem Raum Dülkenerin plant Tiny-House-Dorf

Dülken/Mönchengladbach · Lena Henke bietet mit ihrem Unternehmen „Famcare“ Familien- und Jugendhilfe an. Neben der Reittherapie sind auch ihre drei „Tiny Houses“ gefragt, in denen Jugendliche aus schwierigen familiären Verhältnissen wohnen. Die kleinen Häuser möchte die 29-Jährige auch nach Mönchengladbach bringen.

 Lena Henke vor einem ihrer Tiny Houses auf ihrem Hof in Dülken. 

Lena Henke vor einem ihrer Tiny Houses auf ihrem Hof in Dülken. 

Foto: Knappe, Joerg (jkn)

Bei Lena Henke ist es wie im Urlaub. Die 29-Jährige lebt auf dem Hof ihrer Eltern in Dülken – idyllisch, wohlbehütet und umgeben von Ponys, Mini-Schweinen, Schafen, Hunden, Hühnern und einer Katze. Dort bietet Henke seit 2016 tiergestützte Jugend- und Familienhilfe an. Seit diesem Jahr leben auch drei Jugendliche auf dem Hof. In sogenannten „Tiny Houses“, also kleinen mobilen Häuser, sind sie untergebracht: Junge Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen nicht mehr in ihrem familiären Umfeld leben können. Henke und ihr neunköpfiges Team begleiten sie auf dem Weg in ein selbstständiges Leben. Das Konzept ist äußerst erfolgreich: 2019 war Lena Henke sogar für den Gründerpreis NRW nominiert. Die „Tiny Houses“ begeistern so sehr, dass Henke jetzt ein ähnliches Projekt in Gladbach etablieren möchte.

Die Gründerin Henke studierte Sozialarbeit in den Niederlanden und macht derzeit ihren Master in Sozialmangement in Mönchengladbach. 2016 gründete die Dülkenerin dann ihr Unternehmen „Famcare“. „Wir arbeiten für den Kreis Viersen, Nettetal, Mönchengladbach und Heinsberg. Zu 85 Prozent arbeiten wir aber mit dem Jugendamt in Gladbach zusammen“, sagt Henke. Seit August 2018 gibt es einen zweiten Famcare-Standort in Wegberg. Dort wohnen drei junge Frauen in einem alten Fachwerkhaus. Auch sie werden sozialpädagogisch von Henkes Team betreut. Und auch dort gibt es Ponys und einen Reitplatz. Was es dort aber noch nicht gibt: Tiny Houses.

Die Häuser Der Bedarf an den 20 Quadratmeter kleinen, aus den USA stammenden Häusern ist riesig. „Die Häuser sind voll und ich könnte sie trotzdem jeden Tag doppelt wieder belegen“, sagt Henke. Sie habe bereits etliche Anrufe von Jugendhilfeträgern bekommen, die die Idee aufgreifen wollen. Und auch zahlreiche Privatleute kommen regelmäßig am Hof vorbei, um sich die Häuser anzusehen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Tiny Houses sind platzsparend, können flexibel bewegt werden, sind günstig und gleichzeitig qualitativ hochwertig. Sinnvoll also für eine Stadt wie Mönchengladbach, in der es immer weniger sozialen und hochwertigen Wohnraum gibt, wie aus einem Gutachten für den Wohnungsmarktbericht der Stadt hervorgeht.

 Küche, Badezimmer, Ankleiderzimmer, Schlafzimmer, Esszimmer – ein Haushalt auf 20 Quadratmetern im Tiny House.

Küche, Badezimmer, Ankleiderzimmer, Schlafzimmer, Esszimmer – ein Haushalt auf 20 Quadratmetern im Tiny House.

Foto: Knappe, Joerg (jkn)

Die Idee Henke möchte ein Tiny-House-Dorf in Mönchengladbach schaffen, aber anders als in Dülken: „Es soll nicht nur für Jugendliche sein“, sagt Henke. Dadurch würde sich eine zu einseitige Siedlung bilden. Henke favorisiert deshalb eine Gemeinschaft, in der Menschen aller Altersgruppen leben: Studenten, Senioren, Alleinstehende, Jugendliche. „Menschen, die nicht ins gesellschaftliche System passen, sich dort nicht sehr wohlfühlen oder die keinen bezahlbaren Wohnraum finden“, erklärt Henke. Exemplarisch heißt das: Der Student hilft dem Rentner beim Einkaufen, der Rentner wiederum kocht dafür ein Mittagessen.

Zudem soll es einen Nachmittagsbereich, also ein „Gemeinschafts-Tiny“ als Treffpunkt, mit freizeitpädagogischem Angebot wie gemeinsamem Kochen oder Basteln geben. Zusätzlich könnten auch „Büro-Tinys“ aufgestellt werden, sagt Henke, die von kleinen Unternehmen oder Start-ups gemietet werden – quasi ein Co-Working-Space im Tiny-Format. Auch ein „Tiny-Café“ wäre möglich. Ein „Ausstellungs-Tiny“ könnte zudem zum Übernachten vermietet werden.

Die Herausforderungen Das Schwierigste sei, einen Ort zu finden, an dem die etwa 15 Tiny Houses stehen können und dürfen, erklärt Henke. Als Geschäftsführerin von Famcare dürfte die 29-Jährige eigentlich nur ein Gewerbegebiet für ihr Projekt nutzen. Aber: Tiny Häuser sind in Mönchengladbach baurechtlich wie richtige Häuser zu behandeln. Diese müssen nicht nur Auflagen erfüllen – Baugenehmigungen, Wasserleitungen und etwa Kanalanschlüsse – sondern dürfen auch nicht auf gewerblichen Flächen stehen. Wie etwa im Gewerbegebiet in Hardt, das Lena Henke als Mischung aus Wohn- und Gewerbegebiet bezeichnet und deshalb ins Auge gefasst hatte. „,Tiny Houses’ dürften hier nur gewerblich genutzt werden, mit Ausnahme einer möglichen Wohnnutzung durch den Betriebsinhaber“, sagt Jörn Springer vom Planungsamt der Stadt. Trotzdem sei man bemüht, unterschiedliche Wohnformen in Gladbach zu ermöglichen. „Die Stadtverwaltung ist sich bewusst, dass das deutsche Planungsrecht [...] grundsätzlich die fachliche und wohnpolitische Diskussion nicht unbedingt vereinfacht“, sagt Springer.

Die Zukunft Lena Henke hofft nun, dass ihre Idee auf Zuspruch in der Nachbarstadt trifft. Und durch verschiedene Stellen wird diese Hoffnung bereits erfüllt: Die Hochschule Niederrhein habe ihr Interesse an einer begleitenden Studie bereits zugesagt, sagt Henke. Auch mit dem Jugendamt, mit dem Henke wegen ihrer Tiny Houses in Dülken ohnehin eng zusammenarbeitet, habe es bereits positiven Austausch zu ihrer Idee gegeben. „Das Jugendamt ist dem gegenüber sehr offen“, berichtet Henke. Auch bei NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart sei das Tiny-House-Konzept mehr als gut angekommen. Er hatte Lena Henke und ihr Projekt beim Finale des Gründerpreises vor einigen Wochen kennengelernt und sich gleich für einen Besuch auf ihrem Hof angekündigt. „Jetzt scheitert es eigentlich nur noch am Grundstück“, sagt Henke.

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