Kita-Mord in Viersen Beschuldigte Erzieherin kündigte vor der mutmaßlichen Tat

Viersen · Die 25-jährige Erzieherin, die wegen Mordverdachts an einem dreijährigen Mädchen in U-Haft sitzt, soll die Tat einen Tag vor ihrem letzten Arbeitstag verübt haben. Sie hatte gekündigt – weil ihr die Kita zu groß war und ihr das teil-offene Konzept nicht gefiel.

 Zwei Security-Mitarbeiter vor der Kita am Steinkreis. Es ist die größte Kindertagesstätte in Viersen. Rund 100 Kinder werden dort betreut.

Zwei Security-Mitarbeiter vor der Kita am Steinkreis. Es ist die größte Kindertagesstätte in Viersen. Rund 100 Kinder werden dort betreut.

Foto: Martin Röse

Die 25-jährige Erzieherin, die wegen Mordverdachts in U-Haft sitzt, hat vor der mutmaßlichen Tötung eines dreijährigen Mädchens in der Viersener Kindertagesstätte Steinkreis die Kündigung eingereicht. Das teilte die Stadt Viersen am Donnerstag mit. Die Kündigung ging bei der Stadt am 15. April ein. Das Beschäftigungsverhältnis endete am 30. April. Die Beschuldigte hatte angegeben, dass sie zum 1. Mai eine neue Arbeitsstelle antreten wolle. Ihr letzter regulärer Arbeitstag war der 22. April.

Am 21. April musste das Kind nach Atemstillstand, Reanimation und weiterer notärztlicher Versorgung vom Rettungsdienst aus der Kita Steinkreis ins Allgemeine Krankenhaus Viersen (AKH) gebracht werden. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Erzieherin es aus Heimtücke getötet hat, will Ermittlungsdetails am Donnerstagnachmittag bei einer Pressekonferenz bekannt geben.

Nach der ersten Sachverhaltsschilderung hatte die Beschuldigte bei der routinemäßigen Atemkontrolle während des Mittagsschlafs festgestellt, dass das Kind nicht mehr atmete. Daraufhin wurden Rettungsdienst und Notarzt alarmiert. Eine weitere Erzieherin half bei der Reanimation des Mädchens.

Im Krankenhaus musste das Mädchen künstlich beatmet werden. Nachdem deutlich wurde, dass das Kind durch den Herz-Kreislauf-Stillstand schwerste Folgeschäden erlitten hat und der Herz-Kreislauf-Stillstand medizinisch nicht zu erklären war, regte das AKH an, ein rechtsmedizinisches Gutachten zu erstellen. Dieses Gutachten wurde durch das Jugendamt der Stadt Viersen am 27. April bei der Rechtsmedizin der Uni Düsseldorf beauftragt.

Damit sollte, soweit das zu diesem Zeitpunkt möglich war, geklärt werden, ob sich aus den Verletzungen Rückschlüsse auf deren Ursache ziehen lassen. Umgehend nach dem Vorfall in der Kita habe die Stadt das Landesjugendamt informiert, erklärte ein Sprecher.

Nachdem der Hirntod des Mädchens festgestellt wurde, zog das Krankenhaus am 29. April die Polizei hinzu. Im Bericht der Rechtsmedizin wird formuliert, man habe „eine Gewalteinwirkung nicht ausschließen“ können. Polizei und Staatsanwaltschaft begannen mit Ermittlungen in alle Richtungen.

Das Kind starb am 4. Mai. „Um insbesondere die Familie zu schützen und eine angemessene Bestattung sowie eine ungestörte Trauerfeier zu ermöglichen, wurde die Öffentlichkeit in Absprache mit den Eltern erst danach informiert“, so Stadtsprecher Frank Schliffke. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kita nahmen am 19. Mai von dem verstorbenen Kind Abschied.

„Weitere Abstimmungen mit Polizei und Staatsanwaltschaft sowie der Mutter über den konkreten Text der städtischen Information führten dazu, dass die erste Mitteilung der Stadt am 21. Mai veröffentlicht wurde“, erklärte der Stadtsprecher. „Zu diesem Zeitpunkt war der Stadt bekannt, dass die Beschuldigte in Untersuchungshaft genommen wurde. Dies bekanntzugeben ist aber der Staatsanwaltschaft vorbehalten, die davon zunächst aus ermittlungstaktischen Gründen abgesehen hat.“

Kostenpflichtiger Inhalt  Die Mitteilung von Staatsanwaltschaft und Polizei über die Anordnung der Untersuchungshaft erfolgte am 22. Mai. Die Stadt Viersen veröffentlichte ergänzend dazu eine Mitteilung, in der die Bürgermeisterin ihre Bestürzung über den Verdacht zum Ausdruck brachte, ihre auch persönlich gegenüber der Mutter ausgesprochene Anteilnahme und die Gedanken an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kita, die anderen Eltern und Kinder formulierte.

„Die Eltern der Kita wurden, soweit dies unter den gegebenen Umständen möglich war, über die Entwicklung informiert“, so der Stadtsprecher. „Bürgermeisterin Sabine Anemüller und die zuständige Beigeordnete Çigdem Bern standen den Eltern kurzfristig zu Gesprächen in der Kita bereit.“ Verwaltungsintern wurde und wird eine enge Begleitung der Kita, auch mit Hilfe externer Fachleute, angeboten und wahrgenommen.

Hintergrund für den Wunsch nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses waren nach Kenntnis der Stadt Viersen das teil-offene Konzept und die Größe der Einrichtung. Die Kita am Steinkreis ist mit rund 100 betreuten Kindern die größte Kindertagesstätte in Viersen. Da die Stadt Viersen neue Erzieher wegen des Fachkräftemangels per Dauerausschreibung sucht, wissen Bewerber nicht, für welche konkrete Kita Mitarbeiter gesucht werden. „Die Auswahl erfolgte in dem üblichen, standardisierten Verfahren“, erklärte der Stadtsprecher. Daran seien neben dem Jugendamt die Personalverwaltung, der Personalrat, die Gleichstellungsbeauftrage sowie gegebenenfalls die Schwerbehindertenvertretung beteiligt. Der Sprecher betonte: „Dabei ergaben sich aus Sicht der Stadt Viersen keinerlei Anhaltspunkte für Bedenken.“

Nachgewiesen werden muss bei der Einstellung die bestandene Prüfung zur staatlich anerkannten Erzieherin. „Diese Bescheinigung lag vor“, erklärte der Sprecher. Auch habe die Beschuldigte ein erweitertes Führungszeugnis vorgelegt. Außerdem wird jede Einstellung an das Landesjugendamt gemeldet. Dass kein Arbeitszeugnis vorlag sei nicht ungewöhnlich. „Arbeitszeugnisse werden oft erst mit zeitlicher Verzögerung erstellt“, so der Stadtsprecher. „Für zum Zeitpunkt der Bewerbung bestehende, ungekündigte Arbeitsverhältnisse liegen regelmäßig keine Zeugnisse vor.“

Mitarbeiter in der Probezeit würden von den Leitungen der Kitas eng begleitet und beobachtet. Auch fänden in dichter Folge Personalgespräche statt. All diese Vorgänge werden dokumentiert. „Auch hier ergaben sich sowohl für die Kita-Leitung als auch für die anderen Mitarbeitenden keinerlei Anhaltspunkte, aus denen Bedenken gegen eine Beschäftigung hervorgingen“, erklärte der Stadtsprecher. „Es gab auch keine Elternbeschwerden, die grundlegenden Anlass zum Einschreiten gegeben hätten.“

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