Zum „Markt der Nachhaltigkeit“ in Viersen Ein sentimentales Plädoyer für die Wäscheleine

Viersen · Für die Viersenerin Ilona Friedrich ist Wäsche trocknen im Freien ein kulturelles Ritual und das nicht nur, weil es Strom spart. Dafür wirbt sie mit witzigen Sprüchen auf Leinen, natürlich luftgetrocknet.

 Dass Wäsche trokcen Kunst sein kann, auf diese ungewöhnliche Idee kam Ilona Friedrich. Wie das geht, zeigt sie am Samstag beim „Markt der Möglichkeiten“.

Dass Wäsche trokcen Kunst sein kann, auf diese ungewöhnliche Idee kam Ilona Friedrich. Wie das geht, zeigt sie am Samstag beim „Markt der Möglichkeiten“.

Foto: Ja/Knappe, Joerg (jkn)

Dass Wäsche trocknen unterhaltsam ist und – zumindest bei Älteren – Geschichten und Erinnerungen hervorrufen kann, ist erstaunlich. Allerdings ist das Thema nur dann unterhaltsam, nostalgisch und anekdotisch, wenn es sich um das klassische Trocknen auf einer Leine handelt, die im Garten hängt. Da kommen dann Diskussionen in den Sinn, ob sonntags Wäsche draußen gehängt werden durfte, die schrägen Blicke der älteren Nachbarn, wenn ein Junge sich hängend betätigte, die Plauschereien über Leinen und Gartenzaun hinweg.

Die Viersener Kunst- und Theaterpädagogin Ilona Friedrich macht das Wäsche trocknen zum Kunstprojekt. Wie das funktioniert, ist zu sehen beim „Markt der Nachhaltigkeit“ am Samstag, 30. September. Mit diesem Markt enden die Aktionstage Nachhaltigkeit. Diese hat jetzt erstmals die Stadtverwaltung organisiert.

Wie es zur Kunstaktion kam: Ilona Friedrich trocknet ihre Wäsche an einer Wäschespinne in ihrem Garten. Einen Wäschetrockner hatte sie zwar einmal. „Den habe ich geerbt und als er kaputt war, habe ich keinen neuen gekauft.“ Sondern weiter im Garten in der Sonne und an der frischen Luft getrocknet. Wehende Laken an der Leine riefen schöne Erinnerungen an ihre Kindheit hervor, vor allem an die Großmutter, wie sie die Wäsche aufhängte.

Friedrich begann ihre flatternden Laken zu fotografieren. Zeichnungen und Radierungen der bauschigen, faltenreichen und fast schon skulpturalen Wäschestücke folgten. Und sie begann über das Wäsche trocken im Trockner im Gegensatz zum stromlosen Trocknen im Garten nachzudenken.

Dann kam ein Vorbereitungstreffen für die Aktionstage Nachhaltigkeit, organisiert von der Stabsstelle Klimaschutz. Sie bieten seit 22. September noch bis Samstag, 30. September Führungen, Vorträge, Workshops und weitere Veranstaltungen.

Das Projekt „Klimaneutrale Hängung“ war geboren. „Mit Sonnen- und Windenergie wird Strom produziert, um einen Wäschetrockner zu betreiben“, sagt Friedrich. Ein Widerspruch, stellt sie fest: Da kann man ja auch gleich die Wäsche mit Wind und Sonne und ganz ohne elektrische Energie trocknen. Friedrich bewarb sich mit dem Projekt bei der Stadt Viersen. Bei der Förderung von Projekten der freien Szene erhielt sie einen Zuschuss – und konnte ihr Vorhaben finanzieren.

Was sich hinter dem sperrigen Titel „Klimaneutrale Hängung“ verbirgt: Zwischen den Säulen auf dem Remigiusplatz wird Ilona Friedrich am Samstag, 30. September, von 10 bis 14 Uhr kräftige Leinen spannen und eigens dafür bedruckte Laken, Kissen und T-Shirts in den Wind hängen. Darauf zu lesen sind Worte wie „Sonnenstrahleneinfangsegel“ und „Halbautomatische Wäschetrocknung“, „Ökotrine“ oder auch der Satz: „Lass uns doch zusammen abhängen.“ Ein Foto ihrer Wäsche aufhängenden Großmutter hat Ilona Friedrich auf ein Küchenhandtuch aufgebracht. So wird auch die Oma dabei sein können. Hinzu kommt eine Wäscheleine für Kinder - ein Angebot für die Jüngsten, selbst Wäschestücke an die Leine zu klammern.

„Ich möchte nicht missionieren“, erklärt Ilona Friedrich, „sondern der Wäscheleine auf charmante Weise eine Chance geben.“ Sie ist sich darüber im Klaren, dass viele Menschen gar keine Zeit mehr haben, den etwas aufwändigeren Weg der Wäschetrocknung im Freien zu gehen. „Aber das ist doch ein cooler nachhaltiger Move, der sollte wieder beliebter werden“, glaubt die Künstlerin. Und zitiert einen Satz ihrer Großmutter: „Energiesparen ist unsere beste Energiequelle.“

Auch die hölzernen Wäscheklammern werden zu kleinen Kunstwerken: Friedrich hat sie neben- und untereinander gereiht, fotografiert und das Foto bearbeitet. Sie hat festgestellt, dass gut funktionierende Holzklammern nur schwer zu bekommen sind. Beim „Markt der Nachhaltigkeit“ werden sie, Foto inklusive, zum Selbstkostenpreis angeboten – ein erster Schritt zur „Klimaneutralen Hängung“ am eigenen Balkon.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort