SAB Bröckskes und die besonderen Bedingungen Die Viersener Firma, die es nie hätte geben dürfen

Süchteln · Der Spezialkabel-Hersteller SAB Bröckskes wird 75 Jahre alt. 450 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen in Süchteln, investiert dieses und nächstes Jahr zehn Millionen Euro. Dabei wäre beinahe alles zu Ende gewesen, bevor es begann.

Fotos aus 75 Jahren SAB Bröckskes
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Foto: SAB Bröckskes

Das schwarzweiße Hochzeitsfoto aus dem Oktober 1946 ist grobkörnig, es zeigt im weißen Kleid Bärbel Hilgers, die an diesem Tag Peter Bröckskes (26) heiratet. Bärbel Hilgers ist auch der Grund, dass es die Firma SAB Bröckskes nie hätte geben dürfen. Denn als Peter Bröckskes bei den Eltern von Bärbel Hilgers um die Hand ihrer Tochter anhielt, machte der Vater eine Bedingung: Die Ehe darf nur geschlossen werden, wenn Peter Bröckskes, der bei Kaiser’s Kaffee in der Schreinerei aushilft und nebenbei ein kleines Ingenierbüro betreibt, einen „anständigen Beruf“ vorweisen kann. Bröckskes übernimmt daraufhin die Handelsvertretung für Funke & Huster Signalhupen in Kettwig und seine Bärbel zur Frau.

Sabine Bröckskes-Wetten lächelt, wenn sie die Geschichte von der Bedingung ihres Urgroßvaters in der Firmenzentrale von SAB Bröckskes erzählt. Die 41-Jährige führt das 550 Mitarbeiter starke Unternehmen — davon 450 in Süchteln — in dritter Generation. In diesem Jahr feiert der Spezialkabel-Hersteller, der Handelsvertretungen unter anderem in den USA und China unterhält und einen Jahresumsatz von rund 130 Millionen Euro erzielt, sein 75-jähriges Bestehen. Ein, wie es neudeutsch heißt, „hidden champion“, am Ortsausgang von Süchteln. Und eigentlich eine Firma, die es doch nie hätte geben dürfen?!

„Meine Oma war gerade mit meinem Vater schwanger, als es an der Tür klingelte und ein Mann meinen Opa sprechen wollte. Er habe bei ihm eine Anlage bestellt. Das könne nicht sein, habe Bärbel Bröckskes erwidert, das Ingenieurbüro sei lange geschlossen, ihr Mann sei Handelsvertreter. Nein, das könne nicht sein, habe der Mann entgegnet; er habe doch ein Angebot von Peter Bröckskes bekommen.

Ungewiss ist, ob es an dem Abend bei dem jungen Ehepaar gerummst hat. Klar ist, wie es weiterging: Bröckskes behielt seine Bärbel, blieb Handelsvertreter und bekam seinen Betrieb. 1947 stellte der Elektro-Ingenieur beim Regierungspräsidenten den Antrag, einen „Betrieb für Elektroapparatebau“ errichten zu dürfen. Seine Spezialität: Schwachstrom-Anlagen. Sein Hauptprodukt: eine Alarmsicherheitszentrale, mit der „sowohl ein Hühnerstall als auch eine Fabrik gesichert“ werden könne. Das Landeskrankenhaus in Süchteln setzte auf seine elektrisch-optisch-akustischen Signalanlagen, Landwirte zahlten die Sicherheitstechnik mit Speck. Doch mit der Währungsreform 1948 ging es mit dem Unternehmen bergab.

Zwei Jahre später war Bröckskes wieder da. Seine neue Firma: „Signal-Anlagen Bröckskes“. Die Handelsvertretung für Signalhupen hatte er zwar verloren, dafür aber die Gebietsvertretung für Händle-Ziegeleimaschinen bekommen. Bei seinen Besuchen in den Ziegeleien fiel ihm auf: Niemand wusste, wie heiß die Öfen laufen. Bröckskes baute eine Temperatur-Messanlage, etliche Ziegeleien orderten, sein Unternehmen wuchs auf ein halbes Dutzend Mitarbeiter.

Es ist wohl das, was Unternehmer auszeichnet: dass sie Marktlücken erkennen und entsprechend reagieren. Bröckskes‘ Temperatur-Messanlagen sorgten dafür, dass die Ziegeleien Kohle beim Tonbrennen sparten — 35 Kilo je 1000 Dachziegel, wie es in einem Dankesschreiben hieß — und die Qualität der Ziegel gleichmäßiger wurde.

Sein Sohn machte es genau so. Die Firma wieder neu erfinden. Nicht mehr Ziegelofen-Temperatur-Messanlagen, sondern belastbare Spezialkabel für alles, wo es ungemütlich ist, was stark beansprucht wird. Für die Robotik, für Fluggastbrücken an Flughäfen, für die Fahrgeschäfte in Vergnügungsparks. Kombi-Kabel für Daten-, Strom- und Steuerungssignale. Als die Fertigung von Kabeln im Ausland immer billiger wurde, habe . „Wir verkaufen keine Kabel, wir verkaufen den Unternehmen Lösungen“, erklärt Bröckskes-Wetten den Wahlspruch ihres Vaters. Der sagte sich in den 1990er-Jahren vom Großhandel los, ging direkt an die Kunden in der Industrie heran. Und konnte passgenau das liefern, was sie benötigten.

Dass Bröckskes-Wetten einmal im Büro ihres Vaters sitzen würde, an seinem Nussholzschreibtisch, neben dem beleuchteten Globus ihres Großvaters, und die Geschäfte von SAB Bröckskes leiten, das sei eigentlich nie ihr Ziel gewesen, beteuert sie. „Auch nach dem Abi, als ich hier im Jahr 2000 meine Ausbildung zur Kabelfertigungsmechanikerin gemacht habe, habe ich gesagt: Nein, auf gar keinen Fall!“. Sie studierte, kümmerte sich um Qualitäts- und Umweltmanagement im Betrieb, wurde 2006 Abteilungsleiterin in der Aderfertigung. Dann kam es zu einem folgenschweren Abendessen mit ihrem Vater. „Er sagte mir, er wolle mich nicht drängen. Aber er müsse langsam den Verkauf in die Wege leiten, wenn aus der Familie niemand übernimmt.“ Da sei ihr ihre Verantwortung klar geworden. „Ich kenne hier jeden Mitarbeiter, bei vielen auch die Familien. Ein Käufer hätte die Produktion gewiss ins Ausland verlagert. Das konnte ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren.“

 Michael Wittelsbach arbeitet seit mehr als 34 Jahren bei SAB Bröckskes. Der Kabelwerker erfasst den Lagerbestand an Kupferkabeln digital.

Michael Wittelsbach arbeitet seit mehr als 34 Jahren bei SAB Bröckskes. Der Kabelwerker erfasst den Lagerbestand an Kupferkabeln digital.

Foto: Martin Röse
 Sinan Inçe macht seine Ausbildung zum Maschinenanlagenführer bei SAB Bröckskes. Er kontrolliert, dass die Isolierung richtig auf dem Kupfergeflecht sitzt.

Sinan Inçe macht seine Ausbildung zum Maschinenanlagenführer bei SAB Bröckskes. Er kontrolliert, dass die Isolierung richtig auf dem Kupfergeflecht sitzt.

Foto: Martin Röse
Peter Bröckskes gründete das Unternehmen 1947. An seiner Seite: Bärbel Bröckskes, geb. Hilgers.

Peter Bröckskes gründete das Unternehmen 1947. An seiner Seite: Bärbel Bröckskes, geb. Hilgers.

Foto: Bröckskes
 Peter Bröckskes jun. übernahm 1989 die Unternehmensführung. Sein Credo: Maßlösungen statt Massenware.

Peter Bröckskes jun. übernahm 1989 die Unternehmensführung. Sein Credo: Maßlösungen statt Massenware.

Foto: SAB Bröckskes
 Den Globus schaffte ihr Großvater an, den Schreibtisch ihres Vaters strich sie weiß: Sabine Bröckskes-Wetten führt SAB in dritter Generation. Die Spezialkabel werden in mehr als 40 Länder exportiert.

Den Globus schaffte ihr Großvater an, den Schreibtisch ihres Vaters strich sie weiß: Sabine Bröckskes-Wetten führt SAB in dritter Generation. Die Spezialkabel werden in mehr als 40 Länder exportiert.

Foto: Martin Röse

Wer zu Bröckskes kommt, bleibt. Oft ein Arbeitsleben lang. Weil das Unternehmen so breit aufgestellt ist und etliche Branchen in allen Erdteilen beliefert, ist es krisenfest. In diesem und im nächsten Jahr investiert das Unternehmen rund zehn Millionen Euro in den Standort, in neue Maschinen, eine neue Halle. Und: Wer hier eine Ausbildung macht, kann auch Karriere machen. „Wir unterstützen unsere Mitarbeiter bei der Weiterentwicklung“, sagt Sabine Bröckskes-Wetten. Nahezu wöchentlich lädt sie die Firmenjubilare in ihr Büro ein; so viele sind es.  „Die Mitarbeiter“, sagt Sabine Bröckskes-Wetten, „sind das Wichtigste.“

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