Ernährung Viele Viersener sind fleischlos glücklich

Viersen · Ein Lebensmittel-Skandal reiht sich an den nächsten: Pferde- wird als Rindfleisch verkauft, konventionelle Eier als bio. Viele Viersener verzichten längst auf Fleisch und ernähren sich vegetarisch oder vegan - und das mit Genuss.

 Isabel Barten, Küchenchefin des Café Mokka, bereitet vegetarische und vegane Gerichte zu - wie das Vitamin-C-Frühstück oder den Tofu-Salat.

Isabel Barten, Küchenchefin des Café Mokka, bereitet vegetarische und vegane Gerichte zu - wie das Vitamin-C-Frühstück oder den Tofu-Salat.

Foto: Busch, Franz-Heinrich sen. (bsen

Viersen Wer Mittags im Café Mokka etwas zu Essen bestellen möchte, der hat die große Auswahl: Statt Schnitzel "Wiener Art" gibt es auch Crêpes mit Spargel, die klassische Hackfleischlasagne kann durch mediterrane Kräuterkartoffeln mit geschmolzenem Ziegenkäse ersetzt werden. "Seit Neuestem bieten wir sogar an, das Essen auf Wunsch vegan zuzubereiten", sagt Mokka-Betreiber Marcus Markardt. Er reagiert damit auf den Wunsch von Viersenern, die sich vegetarisch oder vegan ernähren. "Die Idee kam auf durch den Vegetarier-Stammtisch, der hier stattfindet", sagt er.

Annika Gille vom Vegetarier-Bund Viersen leitet den Stammtisch. Sie ist seit ihrem 13. Lebensjahr Vegetarierin und ernährt sich größtenteils vegan - isst also nach Möglichkeit keine tierischen Produkte wie Honig, Käse oder Eier. Dabei will sie niemanden zum Fleischverzicht überreden. "Das Problem ist der Massenkonsum. Das hat es früher nicht gegeben. Manche Leute merken auch gar nicht mehr, wie viel Fleisch sie überhaupt essen."

Obwohl sich die 35-Jährige seit drei Jahren hauptsächlich vegan ernährt, verzichtet sie auf nichts: "Ich esse Schokolade aus Reismilch und die großen Supermarktketten bieten eine große Auswahl an veganen Produkten an." Doch eine vegane Ernährung sei eben auch keine Religion. "Ich habe nichts schlimmes gemacht, wenn ich unterwegs mal ein Stück Käse esse", sagt sie. Wichtig sei bei allem: Die Masse macht?s, und da sollte man Maß halten.

Dass nicht nur Vegetarier auf Fleisch verzichten, sondern immer mehr "Fleischesser" ihren Konsum zurückschrauben, beobachtet Markardt. "Mittags bieten wir ein vegetarisches und ein Fleisch-Gericht an. Ein Drittel unserer Gäste bestellt das Vegetarische", sagt Markardt. Schwierig, ohne Fleisch zu kochen, sei es nicht: "Man muss sich mit Lebensmitteln auseinandersetzen, erkennen, wo Tier drin ist, und diese Komponente ersetzen."

Bruno Eßer vom Reformhaus Goll in der Viersener Innenstadt gehört wie der Mokka-Betreiber zur Gattung "Fleischesser" - und ist dennoch ein Fan vegetarischer und veganer Produkte. "Wenn wir neue Lebensmittel in unser Sortiment aufnehmen, probiere ich sie gleich. Veganer Käse und vegetarisches Fleisch stehen den konventionellen Produkten heutzutage geschmacklich in nichts nach." So müsse niemand beim Grillen auf sein Tofu mit Steak-Geschmack verzichten, auch nicht auf die "Frühstücks-Fleischwurst". Immer mehr Viersener kommen laut Eßer auf den Geschmack. "Jeder neue Lebensmittel-Skandal bringt neue Interessenten." Ob die dann bei vegetarischem oder veganem Essen blieben, sei dahingestellt. Doch immer mehr Menschen zeigten sich offen für diese Ernährungsweise.

Wie nah ein Veggie-Burger geschmacklich einem Fleisch-Burger kommt, weiß Dirk Engels vom Veggie-Stammtisch. Der 46-Jährige ist seit 15 Jahren Vegetarier und hat aufgehört, mit "Fleischessern" zu diskutieren. Er überzeugt mit Taten: "Die Freundinnen meiner Tochter schwärmten von meinen Burgern. Als sie erfahren haben, dass die vegetarisch sind, waren sie ganz überrascht." Auch an vegane Ernährung dürfe man nicht mit zu viel Ernst rangehen, sondern mit Spaß. Zum Beispiel, wenn man den Kollegen zu Weihnachten veganes Soja-Granulat schenkt, das Hackfleisch sehr ähnelt. "Einer war so begeistert, der hat für seine Mannschaft damit Bolognese Soße gemacht. Die waren begeistert in dem Glauben, es sei Fleisch." Beim Thema Lebensmittel-Skandale sagt Engels: "Es bringt nichts, dem einen zu sagen, man ernähre sich besser. Man sollte sich mehr mit Lebensmitteln auseinandersetzen. Wer frisch kocht, weiß was drin ist."

(jco)
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