Kreis Viersen Verlassene Orte sind seine Leidenschaft

Kreis Viersen · Der Willicher Nic R. fotografiert leidenschaftlich gern Orte, an denen längst niemand mehr wohnt oder arbeitet. 132.000 Fans hat er inzwischen auf Facebook. Am Mittwoch macht er sich auf den Weg nach Tschernobyl.

Verlassene Orte von Nic R.
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Verlassene Orte von Nic R.

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Foto: Nic R./Die-verlassenen-Orte.de

Glasscherben knirschen unter den Sohlen, die Luft riecht modrig, morsche Türen quietschen in ihren rostigen Angeln, die Sonne schafft es durch die schmutzigen Fenster kaum, die Räume zu erhellen. An diesem Ort könnte man einen Horrorfilm drehen. Aber Nic R. fühlt sich hier inzwischen pudelwohl. Es klickt - und der 25-Jährige hat das nächste Foto geschossen. Unzählige verlassene, schaurige Orte hat Nic inzwischen besucht. "Wo der Kopf etwas sehen will, da sieht er auch was", sagt der Willicher und erinnert sich an seine ersten gruseligen Besuche in leerstehenden Wohnhäusern zurück. Sieben Jahre ist das inzwischen her. Aus den spaßigen Besuchen, damals noch ohne Kamera, ist längst eine Leidenschaft geworden. Mehr als 10.000 Fotos von seinen Ausflügen zeigt Nic R. auf seiner Facebook-Seite (www.facebook.de/dieverlassenenorte). Fast 132.000 Nutzer haben seine Seite mit "Gefällt mir" markiert.

Nic R. ist damit nach eigenen Angaben der erfolgreichste Fotograf Deutschlands auf diesem Gebiet. Viel Zeit investiert er in sein Hobby und bietet seinen Fans immer wieder spannende und ästhetische Einblicke in Gebäude, die einen morbiden Charme versprühen: Immer mittwochs und samstags werden neue Galerien mit Bildern auf seiner Facebook-Seite und der Homepage www.die-verlassenen-orte.de veröffentlicht. "Von meinen Fans kommt aber auch viel zurück. Sie schreiben nette Kommentare oder unterstützen mich mit einer Spende", sagt Nic und freut sich. Denn auch wenn er durch den Verkauf seiner Bilder etwas nebenher verdient, sei sein Hobby finanziell immer noch ein Zuschussgeschäft.

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Nic ist schon bis nach Spanien gefahren, um ungewöhnliche Orte zu entdecken, meist ist er aber in Belgien unterwegs, wo es unzählige voll eingerichtete, aber seit Jahren verlassene Wohnhäuser, Luxusvillen, Krankenhäuser, Fabriken oder Militäranlagen gibt, die interessante Motive bieten. "Am reizvollsten sind für mich Orte, die schon möglichst lange verlassen, aber noch möglichst gut erhalten sind", sagt der Fotograf. In der Szene ist es daher üblich, die genauen Orte, an denen die Bilder entstanden sind, nicht öffentlich bekanntzugeben. "Orte, die bekannt sind, werden blitzschnell von Vandalen und Plünderern heimgesucht. Das tut mir dann in der Seele weh", so der gelernte Automobilkaufmann, der sich derzeit zum Rettungssanitäter ausbilden lässt.

Stundenlang tigert Nic durch die Gebäude, freut sich "wenn Putz und Farbe von den Wänden bröckeln und die Sonne hereinscheint. Ich weiß nie, was mich hinter der nächsten Tür erwartet. Das macht für mich den Reiz aus", sagt Nic, der inzwischen im Umkreis von ein paar Hundert Kilometern um Willich bereits Vieles gesehen hat. Um Neues zu entdecken, geht es für den 25-Jährigen am kommenden Mittwoch an einen ganz besonderen Ort: Tschernobyl. An den Ort in der Ukraine, an dem am 26. April 1986 der Reaktor eines Atomkraftwerks explodierte. Durch die freigesetzte Strahlung, so schätzt die Weltgesundheitsorganisation, starben möglicherweise bis zu 4000 Menschen. Inzwischen lassen sich weite Teile der evakuierten Zone wieder betreten, einige wenige Bewohner sind zurückgekehrt. Geführte Touren dorthin für Personen mit Sondergenehmigung werden angeboten. Für Nic geht nun dieser Traum in Erfüllung. Drei Tage wird er in der Nähe des Reaktors und in der vier Kilometer entfernten Arbeiterstadt Prypjat, in der einst 50.000 Menschen lebten, verbringen. Ins Atomkraftwerk selbst wird er allerdings nicht gelassen, denn über diesem wird gerade eine riesige Stahlhülle gebaut.

Die Anspannung steigt nun, wenige Tage vor dem Antritt der Reise, allmählich an, gibt Nic zu. Dabei ist es nicht einmal die Angst vor gesundheitlichen Schäden, die ihn umtreibt, sondern viel mehr die Sorge, dass irgendwas trotz sorgfältiger Planung nicht funktioniert. Dann wäre viel Geld in den Sand gesetzt und ein langgehegter Traum geplatzt. Doch der Fotograf ist zuversichtlich, dass der Veranstalter für ihn eine interessante Tour zusammenstellen wird, die auch Motive bietet, die noch nicht jeder Fotograf, der dort war, vor die Linse bekommen hat.

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Seine Begleiter werden darauf aufpassen, dass der Gast nicht zu nah an die noch sehr stark verstrahlten Stellen herankommt, die es nach wie vor gibt. Ansonsten sei die Strahlung dort nicht allzu hoch. "Auf dem Hin- und Rückflug werde ich vermutlich mehr Strahlung abbekommen", zeigt sich Nic R. zuversichtlich.

(RP)
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