Viersen VAB umgeht Gesetz zum Mieterschutz

Viersen · Der Gesetzgeber erlaubt Mietern ausdrücklich, die Kaution ab Beginn des Mietverhältnisses und in drei Raten zu zahlen. Die Viersener Aktien-Baugesellschaft verlangt aber das Geld schon vorher in voller Höhe. Kritik kommt vom Mieterverband

 Gertrud Baumann musste sich das Geld für die Kaution vom Sozialamt vorstrecken lassen - weil die VAB darauf bestand. Das ist aber gegen das Gesetz.

Gertrud Baumann musste sich das Geld für die Kaution vom Sozialamt vorstrecken lassen - weil die VAB darauf bestand. Das ist aber gegen das Gesetz.

Foto: Jörg Knappe

Nur mit Hilfe eines Rollators kann sich Gertrud Baumann noch fortbewegen. Ihre Wohnung im zweiten Stock ohne Aufzug war längst zu einer Art Gefängnis geworden - ohne Hilfe konnte sie nicht mehr vor die Tür gehen. Also suchte die 71-Jährige eine altersgerechte Wohnung und wurde am Willy-Brandt-Ring bei der Viersener Aktien-Baugesellschaft (VAB) fündig. Die Rentnerin unterschrieb einen Mietvertrag, doch als sie die Schlüssel haben wollte, forderte die VAB die Kaution in voller Höhe. "Ich war total verzweifelt. So viel Geld hatte ich nicht auf einmal", erzählt die Seniorin, die von einer bescheidenen Rente lebt. Nur weil das Sozialamt einsprang und ihr ein Darlehen gewährte, konnte die 71-Jährige die geforderte Summe Ende Dezember aufbringen. Seit diesem Monat wohnt sie in dem Haus mit Aufzug.

Dabei hat sich die VAB, eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft, die der Stadt gehört, nicht ans Gesetz gehalten. Im Bürgerlichen Gesetzbuch steht eindeutig, dass der Mieter die Kaution in drei gleichen monatlichen Raten bezahlen kann, wobei die erste Rate zu Beginn des Mietverhältnisses fällig ist. Das bedeutet: Gertrud Baumann hätte die Kaution nicht schon im Dezember zahlen müssen, sondern erst ab Februar, als der Mietvertrag galt. Außerdem hätte sie die Kaution in drei Raten bis April bezahlen dürfen. "Mit der Ratenzahlung hätte ich das hingekriegt", erklärt sie, denn ansonsten ist sie nicht auf das Sozialamt angewiesen. "Im konkreten Fall ist das nicht richtig gelaufen", gibt Albert Becker, Vorstandsvorsitzender der VAB, zu.

Doch nicht nur Gertrud Baumann verwehrt die kommunale Baugesellschaft fundamentale Mieterrechte, sondern allen Neumietern. "Wir haben vielfältige negative Erfahrungen mit Ratenzahlungen gemacht", erklärt Becker. Deshalb verlangt die VAB in der Regel die Kaution in voller Höhe schon, bevor der Mietvertrag überhaupt unterschrieben ist. Der Mieterverband Niederrhein kritisiert das Vorgehen.

"Das kann ich nur verurteilen", sagt Rechtsanwalt Kai-Uwe Springer und Vorsitzender des Mieterverbands. "Diese Praxis ist unzulässig und gegen das Gesetz." Britta Pietsch, Ratsfrau der Linken, die Gertrud Baumann geholfen hat, ein Darlehen beim Sozialamt zu beantragen, sieht das ähnlich: "Das Gesetz schützt die Ärmeren und Schwächeren. Es ist für diejenigen gedacht, die nicht einfach 2000 Euro auf dem Konto haben. Es kann nicht sein, dass ein kommunales Unternehmen sich nicht daran hält."

Allerdings sei die rechtliche Handhabe gegen die illegale Praxis der VAB schwierig, erklärt Springer. Solange der Mietvertrag noch nicht unterschrieben ist, sitze der Vermieter am längeren Hebel. Die Viersener Aktien-Baugesellschaft gibt das auch zu. "Niemand kann einen Vermieter zwingen, zu vermieten", sagt Vorstandsvorsitzender Becker. Wenn ein Interessent die Kaution nicht vorher bezahlt, könne es sein, dass er keine Wohnung bekomme. "Die VAB umgeht dadurch das Gesetz", kritisiert Springer.

Das umstrittene Vorgehen verteidigt dagegen Becker: "Unsere Erfahrung ist, dass die Raten häufig nicht rechtzeitig gezahlt werden." Und dann beginne das Mietverhältnis mit Streit, der bis zum Rauswurf des Mieters führen könne. Wenn der Mieter die Kaution nicht wie vorgegeben zahlt, kann ihm der Vermieter außerordentlich fristlos kündigen. "Mit der Ratenzahlung tut man keinem Mieter einen Gefallen", ist sich Becker sicher.

Kai-Uwe Springer vom Mieterverband vermutet, dass die VAB kein Risiko eingehen will, der Kaution hinterherzulaufen. Zudem wolle sie so vermeintlich wenig solvente Mieter aussortieren. Dabei gebe es zu diesem Zweck die freiwillige Selbstauskunft.

Bei Mietern, die zum Beispiel auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind, existiert laut Becker eine spezielle Dienstanweisung. Demnach muss das Sozialamt bei Bedarf ein Darlehen in der Höhe der Kaution zusagen, das der Mieter dann an die VAB abtritt. Das Darlehen muss der Mieter dann in Raten zurückzahlen. Gertrud Baumann wurde von der VAB versehentlich für eine Transferempfängerin gehalten. Sie muss jetzt Geld beim Sozialamt abstottern, obwohl sie die Kaution in Raten selbst hätte zahlen können.

(RP)
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