Viersen-Dülken Unterwegs mit den Raupensaugern

Viersen-Dülken · Jeden Tag aufs Neue werden der Stadtverwaltung Nester des Eichenprozessionsspinners gemeldet. Die giftigen Haare der Raupe können beim Menschen starke allergische Reaktionen hervorrufen. So entfernt die Stadt die Nester.

 Atemschutz, Kapuze, Haube – und zwei Schutzanzüge.

Atemschutz, Kapuze, Haube – und zwei Schutzanzüge.

Foto: Martin Röse

Der Himmel ist blau. Die Sonne scheint. Heute kommt der Tod.

22 Grad sind angenehme Temperaturen, sollte man meinen. Doch Kai Zander schwitzt in der Sonne. Das Innere seiner Atemschutzmaske ist leicht beschlagen, kein Windhauch dringt durch seinen weißen Schutzanzug, unter dem er zum besseren Schutz noch einen zweiten weißen Schutzanzug trägt. Zander ist 22 Jahre alt, hat bei der Stadt gerade die Ausbildung zum Forstwirt gemacht – doch an diesem Morgen in Dülken sieht er eher aus wie einer der Leinwandhelden im Film „Ghostbusters“. Und wie der erschreckend junge Bill Murray hat auch Zander einen großen Staubsauger dabei. In dem fängt er aber keine Geister, sondern die Larven eines Nachtfalters.

 Mit dem Hubsteiger hievt sich Forstwirt Kai Zander meterhoch in die Luft zum Nest des Eichenprozessionsspinners.

Mit dem Hubsteiger hievt sich Forstwirt Kai Zander meterhoch in die Luft zum Nest des Eichenprozessionsspinners.

Foto: Martin Röse

Unterwegs mit dem Einsatztrupp der Stadt im Kampf gegen den Eichenprozessionsspinner. Um 7 Uhr früh ging’s für Zander los: Einweisung in die Kleiderordnung. Erst den ersten Anzug anziehen. Dann den zweiten Anzug drüberziehen. Dann die Atemschutzmaske mit dem Filter aufsetzen. Danach die Kapuze drüberziehen. Anschließend mit einer Haube fixieren. Zum Schluss die petrol-farbenen Handschuhe über die Finger streifen. Dauer: knapp zehn Minuten.

Der Eichenprozessionsspinner ist ein unscheinbarer Nachtfalter, der sich am liebsten in warmen und trockenen Gebieten aufhält. Zu denen zählt in diesen Tagen auch der Kreis Viersen. Für die Eiablage bevorzugt er freistehende Eichen. Den Namen Prozessionsspinner verdankt der Falter den Raupen, die in bis zu zehn Meter langen Prozessionen auf Nahrungssuche gehen. Nachts, wenn alles schläft.

 Ein Nest des Eichenprozessionsspinners in Dülken.

Ein Nest des Eichenprozessionsspinners in Dülken.

Foto: Martin Röse

Die Raupen sind Anfang Mai geschlüpft. Auf ihrer breiten dunklen Rückenlinie befinden sich samtig behaarte Felder mit rotbraunen, langbehaarten Warzen. Ab dem dritten Larvenstadium tragen die Raupen Brennhaare. Die enthalten Thaumetopoein, ein Eiweiß, das bei Menschen und Tieren allergische Reaktionen auslöst. Kurz vor der Verpuppung besitzt eine Raupe bis zu 700.000 Brennhaare. Das darin enthaltene Nesselgift ist noch über mehrere Jahre hinweg aktiv.

Zander steht am Industriering in Dülken auf dem von der Stadt gemieteten Hubsteiger, drückt mit seinem grün-blau behandschuhten Zeigefinger auf den Knopf, lässt sich aufwärts hieven. Am Industriering stehen zahlreiche Eichen. Und fast an jeder sind große Nester zu sehen. Sie sehen so aus, als hätten stark betrunkene Spinnen sich Mühe gegeben, zur Musik von Björk ein ganz besonders feines, dichtes, großes Netz zu errichten.

Der Mann, der den Raupen den Tod bringen wird, ist oben angekommen, befindet sich nun wenige Zentimeter von dem Nest entfernt. Jeder Windhauch trägt die Brennhaare der Larven fort. Treffen sie auf die Haut, verursachen sie Reizungen in Form von Knötchen, Quaddeln oder Entzündungen. Werden sie eingeatmet, greifen sie die Schleimhäute an, können einen allergischen Schock auslösen.

Zanders Schutzanzüge aber haben die höchste Sicherheitsstufe, sind auch für Asbest-Einsätze ausgelegt. Ebenso der Sauger. Dutzende Larven liegen in dem Nest, erholen sich vom anstrengenden Fressen in der Nacht. Es ist ihr letzter Tag. Zander hebt den Sauger. Unten am Hubsauger knattert der Kompressor. Das Geräusch, wie Larven, Nest und Haare von dem Sauger verschluckt werden, ist gar nicht zu hören.

Mehr als 70 Bäume haben Zander und seine Kollegen in den vergangenen Wochen von den giftigen Raupen befreit. Täglich werden neue Nester entdeckt. Die städtischen Raupensauger schauen, kontrollieren, entfernen. Ist der Sauger voll, steuern sie eine entlegene Stelle auf dem Hof der städtischen Betriebe an. Dort werden die Larven in Spezialcontainer umgelagert, bevor eine Entsorgungsfirma sie thermisch neutralisiert. Ganz so heiß wird’s unter den beiden Schutzanzügen zwar nicht. Dennoch ist Zander froh, dass er sie für eine Pause einmal ausziehen kann.

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