Klassik und Komik in der Festhalle Musiker als Komiker und Akrobaten

VIERSEN · Wie Klassik spannend wird, zeigte das katalanische Kammerorchester Empordà. Der Konzertmeister hat Kampfsporterfahrung, die Musiker meutern auf der Bühne.

  RP-Foto: J. Knappe

RP-Foto: J. Knappe

Foto: Knappe, Joerg (jkn)

Stücke wie Mozarts kleine Nachtmusik oder Brahms‘ Ungarische Tänze hat man zwar schon oft gehört. Aber auch Klassikfreunde haben sie kaum jemals so erlebt, wie an diesem Abend. „Comedy trifft Klassik“ hieß es in der gut gefüllten Festhalle. Und genau das fand statt.

Die elf Musiker des katalanischen Kammerorchesters Empordà sind versierte Instrumentalisten, das hört man sofort. Aber sie können noch erheblich mehr. Sie verstehen sich auf Pantomime und Komik, sie können tanzen und bieten eine erstaunliche Akrobatik. Einem Cellisten wird während des Spielens der Stuhl weggezogen. Und was tut er? Er spielt in der gleichen Haltung ohne Stuhl einfach weiter. Ein Geiger springt von der Festhallenbühne in den Saal, ohne dabei mit dem Spielen zu stoppen – und kommt sicher unten an; eine beachtenswerte Beweglichkeit, die normalerweise nicht zum Pflichtfach an Musikhochschulen gehört. Da wurde bei der Verpflichtung der Musiker auf Fähigkeiten geachtet, die bei Orchestermusikern sonst selten eine Rolle spielen. Naeon Kim, der Konzertmeister, hat früher einmal Kampfsport betrieben. Da hat er Bewegungen gelernt, die er jetzt als Komiker gut verwenden kann.

Entwickelt wurde die Show von Jordi Purtí, der zugleich als Regisseur und Dirigent tätig wurde. Natürlich zieht er die Dirigentenrolle auch durch den Kakao. Soll nun das Ave Maria von Schubert oder das von Bach/Gounod gespielt werden? Es kommt zur Meuterei. Eine Gruppe folgt dem Dirigenten, eine andere schließt sich dem Gegendirigenten an. Ein musikalischer Kampf folgt: Mal obsiegen die Schubert-Befürworter, mal die Gounod-Freude, es läuft auf ein Unentschieden hinaus.

Wild gestikulierend führt der Dirigent ein Handy-Telefonat – die Musiker spielen nach seinen Armbewegungen den fünften Ungarischen Tanz von Brahms. Da kommt es doch zu sehr merkwürdigen Tempowechseln. Und was passiert bei Chopins Trauermarsch? Da wird der Kontrabass zu Grabe getragen. Der Frühling aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ will dagegen nicht so recht kommen, da gibt es doch erhebliche meteorologische Schwierigkeiten. Projizierte Filmplakate bieten den optischen Hintergrund zu Filmmusiken. „Der Pate“ lässt ebenso grüßen wie „Love Story“, „Pretty Woman“ oder „Der rosarote Panther“. Natürlich bietet sich da reichlich Gelegenheit für Pantomime und Situationskomik.

Auch das Publikum wird mit einbezogen. Einige Zuhörer scheinen ein Instrument zu spielen, so geschickt agieren die Musiker mit ihnen. Und selbstverständlich wird beim Radetzkymarsch nicht einfach mitgeklatscht, sondern gemeinsam ein exakter Klatschrhythmus erarbeitet.

Für den begeisterten Beifall bedankten sich die Akteure nicht nur mit einer Zugabe auf der Bühne. Sie zogen anschließend noch durch das Foyer der Viersener Festhalle und spielten, mitten im größten Gedränge, den Säbeltanz von Aram Chatschaturian.

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