Viersen "Tollhaus" Verwaltung

Viersen · Persönliche Beziehungen, Privat-Informationen und Polit-Diskussionen über einen Kandidaten, der schon längst das Handtuch geworfen hatte. Ein Aufklärungsversuch im Viersener Rat über den "verlorenen" Pressesprecher.

 Über wichtige Abläufe in der Viersener Verwaltung waren die Dezernenten vor der jüngsten Sitzung des Hauptausschusses nicht informiert worden. Das musste Kämmerer Rolf Corsten jetzt im Stadtrat einräumen

Über wichtige Abläufe in der Viersener Verwaltung waren die Dezernenten vor der jüngsten Sitzung des Hauptausschusses nicht informiert worden. Das musste Kämmerer Rolf Corsten jetzt im Stadtrat einräumen

Foto: Busch

Deutliche Kritik übten Teile der Viersener Politik in der jüngsten Ratssitzung über die nebulösen Entscheidungs- und Informationswege innerhalb der Verwaltung rund um die geplante Verpflichtung eines neuen Pressesprechers für die Kreisstadt. Vorgesehen war für diesen Job der derzeitige Öffentlichkeitsarbeiter Michael Pluschke, der seinen Dienst in Willich verrichtet. Als "fragwürdig" bezeichnete Grünen-Fraktionsvorsitzende Martina Maaßen schon die Entstehungsgeschichte rund um den Job, den der 50-Jährige in der Viersener Verwaltung ausüben sollte.

Unterschriftsreife Vereinbarung

Vor Monaten soll Pluschke aus dem Rathaus angesprochen worden sein, ob er sich einen Wechsel nach Viersen vorstellen könne. Wie Kämmerer Rolf Corsten in der Ratssitzung bestätigte, soll nach Aussage Pluschkes der Kontakt zwischen ihm und der Kreisstadt in der Folgezeit über eine in der Viersener Verwaltung arbeitende Mitarbeiterin gelaufen sein, die er auch persönlich gut kennt. Es wurden unterschriftsreife Vereinbarungen erstellt und der 1. November als Dienstbeginn vereinbart. "Erstaunlich ist dabei, dass diese Stelle nie irgendwo ausgeschrieben worden ist", so Maaßen.

Als die Art der Stellenbesetzung vor Wochen in der Politik für Verwunderung sorgte, zog Pluschke die Reißleine. Der 50-Jährige, der fälschlicherweise von einem parteiübergreifenden Beschluss zu seiner Anstellung ausgegangen war, teilte am Montagmorgen vergangener Woche seiner Kontakt-Frau – die im unmittelbaren Rathaus-Umfeld des (erkrankten) Bürgermeisters Günter Thönnessen arbeitet – mit, dass er für den Job nicht mehr zur Verfügung stehe. "Diese Information hat die Rathaus-Mitarbeiterin als persönliche Mitteilung angesehen und nicht an Dr. Schrömbges als damals zuständigen Vertreter des Bürgermeisters weitergeleitet", so Corsten.

Konsequenz: In der am Montagabend stattfindenden Hauptausschusssitzung wurde die geplante Stellenbesetzung kontrovers diskutiert, auch die Verwaltungsspitze meldete sich Wort – nicht ahnend, dass der Kandidat um den es ging, sich längst vom Viersener Job verabschiedet hatte. Corsten: "Auch besagte Mitarbeiterin war in der Hauptausschusssitzung anwesend." – Und schwieg.

Erst aus der Zeitung erfuhren Stadtspitze und Politik, dass ihr neuer Mann für die Pressearbeit längst das Handtuch geworfen und sich für seinen bisherigen Job in Willich entschieden hatte. Kämmerer Corsten informierte per E-Mail sofort die Fraktionsvorsitzenden und sagte Aufklärung zu.

Diese konnte er dem Rat jetzt nur teilweise vorlegen. Der Erste Beigeordnete sprach von "Widersprüchen" und dass es nicht möglich sei, zu klären, "was der Wahrheit entspricht". CDU-Fraktionsvorsitzender Stephan Sillekens bezeichnete die Situation "ungewöhnlich" und fragte, ob "sichergestellt ist, dass die Gremien der Stadt nicht hinters Licht geführt werden?" Grünen-Kollegin Martina Maaßen formulierte deutlicher: "Ich glaube, die Verwaltung hat hier ein Tollhaus abgeliefert." FRAGE DES TAGES

(RP)
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