Schwalmtal Fotos als verwirrendes Versteckspiel

Schwalmtal · Zu den Tagen der Kunst zeigt Stefanie Minzenmay ungewöhnliche Porträts in der Bethanien-Kapelle.

 Die gesichtlosen Fotos von Stefanie Minzenmay sind in der Kapelle des Bethanien-Kinderdorfes zu sehen.   RP-Foto: Knappe

Die gesichtlosen Fotos von Stefanie Minzenmay sind in der Kapelle des Bethanien-Kinderdorfes zu sehen. RP-Foto: Knappe

Foto: Knappe, Joerg (jkn)

Zwischen den zart farbigen Kapellen-Fenstern im Bethanien-Kinderdorf in Waldniel hängen großformatige Fotografien. Farblich zurückhaltend und formal reduziert, zeigt jede von ihnen eine junge Frau (oder ein junges Mädchen?). Doch so sicher kann man nicht sein, denn: Der Betrachter erkennt alle Details der Kleidung und der Körperhaltung.

Aber das Wichtigste, das, was uns den Menschen nahebringt und erklärt, das enthält die Fotografin Stefanie Minzenmay uns in ihren Porträts vor: Jedes Gesicht ist von den langen Haaren der Porträtierten kunstvoll verdeckt, indem sie entweder von hinten nach vorne oder um den Kopf festgesteckt wurden.

Am Samstag und Sonntag wird ganz Schwalmtal zur Kunstmeile. Schon heute können an einigen Orten überraschende Kunstwerke entdeckt werden. Wie die Fotografien in der Kapelle von Bethanien an der Ungerather Straße. „Privacy – Protect Yourself!“ heißt die Porträtserie, die die Neusserin Stefanie Minzenmay 2014 begonnen hat.

Ausgangspunkt der Reihe war die Frage nach dem Umgang junger Leute mit den sozialen Medien. Was passiert, wenn insbsondere junge Menschen, die „digital natives“, wie sie genannt werden, Fotos von sich ins Netz stellen? Fotos, die zeigen, was sie tun, was sie essen, welche Kleidung sie tragen? Wieviel Privatsphäre geben sie auf? Besteht überhaupt noch eine Kontrolle über die Bilder? Und außerdem: „Das funktioniert wie eine Ware: Foto gegen „Likes’“. stellt Minzenmay fest. Je mehr, desto besser. Daraus folge immer weniger Privatheit.

„Ich erkläre den Mädchen immer, dass es mit den Selfies im Netz so ist, als ob sie ihr Foto an die Straßenlaterne hängen“, sagt Minzenmay. Durch dieses Beispiel bekämen sie einen anderen Bezug.

Die Porträtserie geht den umgekehrten Weg der Selfies: Im Dialog mit den jungen Mädchen inszenieren sie sich, indem „sie weniger zeigen als sonst“, so Minzenmay. Die Fotografin hat festgestellt, dass die Mädchen viel entspannter sind, sobald sie wissen, dass ihr Gesicht unsichtbar bleibt. Die Porträtierten sorgen für die Pose, Minzenmay für den neutralen, anonymen Hintergrund. Sie fotografiert bei Tageslicht und belässt die Farben in ihrer Natürlichkeit. Das Thema Privatheit ziehe sich durch alle ihre Fotoserien. „Privatheit wird eines der wichtigsten Themen der Zukunft sein“, sagt Minzenmay.

Die Fotografin, 1970 geboren, hat eine interessante Biografie „mit zwei Leben“. Sie ist promovierte Juristin, arbeitet als Anwältin. Daneben baute sie ihre Leidenschaft fürs Fotografieren aus und erlernte an der privaten „Schule für künstlerische Fotografie“ in Köln die konzeptuelle Fotografie. Eine beachtliche Reihe von Ausstellungen begleitet seit vier Jahren Minzenmays künstlerische Karriere.

(b-r)
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