Olympische Geschichten Wenn sogar Weltstars ganz zahm werden

Viersen · Der Dülkener Volker Groß hatte durch seinen Beruf als Trainingswissenschaftler viele Jahre einen ganz besonderen Blick auf Olympische Spiele. Er ist dankbar für die Zeit, in der er sich so intensiv mit diesem Sportspektakel befassen durfte.

 Trainingswissenschaftler Volker Groß (r.) mit Tennis-Profi Nicolas Kiefer bei den Olympischen Spielen von Peking.

Trainingswissenschaftler Volker Groß (r.) mit Tennis-Profi Nicolas Kiefer bei den Olympischen Spielen von Peking.

Foto: Volker Groß

Viersen Auch wenn Volker Groß ein leidenschaftlicher Basketballer war, an eine Teilnahme an Olympischen Spielen und erst recht an den Gewinn einer Olympia-Medaille in seiner Sportart war für den Dülkener nicht zu denken. Doch wenn er im Vorfeld der Spiele im brasilianischen Rio de Janeiro auf Olympia angesprochen wird, dann beginnen die Augen des inzwischen 62-Jährigen zu strahlen, dann gerät er regelrecht ins Schwärmen. Denn auch wenn das sportliche Talent nicht gereicht hat, um mal als Aktiver bei der größten Sportveranstaltung unseres Planeten mitzumischen, so war es seine berufliche Karriere als Trainingswissenschaftler am Olympiastützpunkt Rhein/Ruhr in Essen, die ihm gleich mehrere Teilnahmen bescherte. Von Barcelona 1992 bis Peking 2008 war er fünfmal mittendrin, statt nur dabei. 2012 in London bekam er dann noch mal die Chance, bei den Paralympics zu arbeiten.

 Volker Groß mit Bundespräsident Horst Köhler und seiner Frau Ute.

Volker Groß mit Bundespräsident Horst Köhler und seiner Frau Ute.

Foto: Volker Groß

"Um es auf den Punkt zu bringen: Olympia ist ein riesiges Erlebnis für alle Beteiligten", sagt Groß zunächst noch recht allgemein, wenn er nach der Faszination des Sportspektakels gefragt wird. Doch er kann auch konkreter: "Bei Olympia erfährt man, dass die Welt doch nicht so schlimm ist, wie sie in den Nachrichten oft erscheint. Dort trifft sich wirklich die Jugend er Welt. Unabhängig von Kultur, Rasse oder Herkunft kommen Menschen zusammen, um gemeinsam Spaß zu haben." Trotz Erfolgsdruck oder beruflicher Verpflichtungen. Denn für Groß waren seine Olympia-Teilnahmen alles andere Lustreisen. Nach seinem Sport- und Mathe-Studium führte ihn sein erster Job als Biomechaniker an der Sporthochschule Köln 1989 an den kurz zuvor ins Leben gerufenen Olympia-Stützpunkt Rhein/Ruhr. Durch seine Affinität zu Video- und Computertechnik entwickelte er sich schnell zum Spezialisten für Spielbeobachtungen und Technikanalysen. Und weil Groß selbst aus einer Spielsportart kommt, wollten Handballer, Basketballer und Wasserballer bei den Olympischen Spielen von Barcelona nicht auf seine Fähigkeiten verzichten. Das Problem damals: Eine Akkreditierung gab es für ihn nur über einen Verband, und da die Plätze für das olympische Dorf ziemlich knapp bemessen waren, musste ein wenig jongliert werden. "Am Ende saß ich mit sechs Videorekordern in der Küche einer Athletenwohnung, um alle Spiele aufzuzeichnen und sie nach den Wünschen der Trainer zusammenzuschneiden", erinnert sich Groß. Das war auch noch in Atlanta ähnlich, komfortabler wurde es dann erst ab der Spiele 2000 in Sydney, als die Akkreditierungen zunächst noch über das Nationale Olympischen Komitee und später dann über den Deutschen Olympischen Sportbund liefen. Seitdem bekam Groß ein Büro in dem Gebäude, in dem auch die deutsche Mannschaftsführung untergebracht war.

Doch egal, wie weit weg sein Arbeitsplatz vom eigentlichen Geschehen war, Groß lag immer viel daran, möglichst nah am olympischen Treiben zu sein. Etwa in Atlanta, wo er bei einem Basketballspiel plötzlich merkte, dass ein paar Meter vor ihm NBA-Legende Karl Malone aus dem US-amerikanischen Dream-Team vor ihm stand. Oder 2008 in Peking, als beim Essen in der Mensa plötzlich ein Raunen durch den Saal ging, als plötzlich Tennis-Superstar Roger Federer auftauchte. "Das ist eben auch das Besondere an Olympia. Weltstars wie Federer oder Dirk Nowitzki wollen diese Atmosphäre genießen und haben keine Berührungsängste", erklärt Volker Groß. Doch so faszinierend der Geist von Olympischen Spielen auch ist, der sportlichen Leistung ist er nicht immer zuträglich. Volker Groß kennt jedenfalls Fälle, in denen sich Sportler so sehr vom Drumherum ablenken ließen, dass sie hinter den Erwartungen zurückblieben. "Da ist es sehr hilfreich, wenn Trainer selbst schon mal als Aktive bei Olympia waren und ihre Schützlinge entsprechend vorbereiten können", erklärt Groß.

Hilfreich ist es in Sachen Erfolg freilich auch, wenn Spezialisten wie Groß mit von der Partie sind. Als die deutschen Handballer zum Beispiel 2004 in Athen die Silbermedaillen holten, arbeitete der Dülkener für das Trainerteam um Heiner Brand. "Man spürt dann schon eine Wertschätzung. Auch die Spieler nehmen einen wahr. Die Torhüter sind zum Beispiel sehr dankbar, wenn sie Wurfbilder von den gegnerischen Spielern bekommen", sagt Groß. Eine Olympia-Medaille hat er allerdings nicht zu Hause, denn anders als bei Welt- und Europameisterschaften wird das Team hinter dem Team bei Olympischen Spielen nicht mit Edelmetall bedacht. Wobei dem 62-Jährigen der Job an sich schon Belohnung genug ist. Es gibt zwar genau wie in jedem anderen Beruf auch Tage mit Routineabläufen, "doch ich weiß zu schätzen, was ich all' die Jahre miterleben durfte".

Die rasante technische Entwicklung in dieser Zeit ist ein Grund dafür, wieso heutzutage nicht mehr so viele Video-Analysten benötigt werden. Die Digitalisierung und der problemlose Zugang zu Bildmaterial, gepaart mit der Professionalisierung im Trainerstab, hat dazu geführt, dass immer mehr Co-Trainer Aufgaben übernehmen, die früher Experten wie Groß erledigten. Damit kann Groß gut leben. Er ist froh, dass er angesichts seiner zahlreichen Einsätze als Video-Analyst außerhalb des olympischen Sportbetriebs inzwischen auch mal das eine oder andere zusätzliche freie Wochenende genießen kann. "Schwach könnte ich nur werden, wenn ich noch mal bei Olympia gebraucht würde", sagt er - und hat wieder dieses Strahlen in den Augen.

(RP)
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