Ertan Hajdaraj bei der VVV Venlo Mönchengladbacher hofft auf Profi-Traum in Venlo

Fußball · Bei Borussia Mönchengladbach hat es für Ertan Hajdaraj nicht gereicht, dafür gehört er nun in Venlo zur Profi-Mannschaft. Der Verein bietet vielen Talenten bessere Startchancen in eine Fußballkarriere als in Deutschland – allerdings zu besonderen Bedingungen.

  Ertan H  ajdaraj (l.) vom VVV Venlo

Ertan H ajdaraj (l.) vom VVV Venlo

Foto: Heiko van der Velden

Einmal, so erzählt es Ertan Hajdaraj, da habe ein kleiner Junge am Spielfeldrand im Venloer Stadion gestanden und ihm beim Aufwärmen zugerufen: „Du musst für Sven spielen.“ Mit „Sven“ war Stürmer Sven Braken gemeint, einer der erfahrensten Akteure im Kader der VVV Venlo. An dem Torjäger ist für Hajdaraj im Kampf um Spieleinsätze allerdings noch kein Vorbeikommen. Dennoch zeigt die Szene, dass der 18-Jährige inzwischen auch von den Fans des Vereins wahrgenommen wird, als einer der ihren. Auf fünf Kurzeinsätze und 89 Spielminuten kommt Hajdaraj bislang unter Trainer Jos Luhukay im Saisonverlauf der Keuken Kampioen Divisie, der niederländischen 2. Liga. Es sind seine ersten Atemzüge im Profifußball. Und sie kamen unerwartet schnell. 

„Zu Saisonbeginn war die 1. Mannschaft kein Thema für mich. Der Verein wollte, dass ich erfolgreich in der U21 spiele und mich dort als Stammspieler durchsetze“, sagt er. Im ersten Saisonspiel erzielte er für die U21 jedoch gleich ein Tor, danach fehlte mit Erik Sorga ein Stürmer wegen einer Länderspielreise und ein anderer, besagter Sven Braken, verletzte sich im ersten Saisonspiel und fiel länger aus. Hajdaraj wurde plötzlich als Ersatz-Stürmer für die Profi-Mannschaft gebraucht. Zunächst nur für eine Woche. „Aber ich konnte im Training überzeugen und der Verein beschloss, mich für die gesamte Saison in die 1. Mannschaft zu holen“, sagt Hajdaraj, der in Dernbach in Rheinland-Pfalz geboren wurde, ehe seine Familie in das heutige Kosovo ging. Als er acht Jahre alt war, kehrten sie nach Deutschland zurück.

„Ertan hat seine Chance bekommen. Er entwickelt sich gut“, sagt Stan Valckx, Sportdirektor in Venlo. Kurz darauf bestritt Hajdaraj sein erstes Profispiel, am 17. September, als Einwechselspieler für sieben Minuten gegen den FC Volendam. „Auf der Bank war ich die ganze Zeit relativ gelassen, auch beim Aufwärmen noch“, sagt Hajdaraj, „als dann aber vom Trainer mein Name gerufen wurde, da hat mein Herz schon sehr gepumpt. Ich war sehr aufgeregt. Im Spiel ging es dann aber wieder.“ Ein paar Wochen später kam er bereits zur Pause ins Spiel, im Lokalderby daheim gegen Maastricht, Venlo gewann 2:0. „Das Stadion war ausverkauft, die Fans waren unglaublich und es wurde als Topspiel live übertragen. Es war unglaublich, dass zu erleben“, sagt Hajdaraj.

Die ersten Schritte im Profifußball hätte er allerdings auch gerne bei Borussia Mönchengladbach bestritten. Noch heute ist er Fan des Vereins und landete nach einigen Probetrainings bei verschiedenen Bundesligisten schließlich 2015 in der U13 der Borussia. Dort schaffte er es bis in die U16. Dann erklärte der Verein jedoch, dass man mit ihm nicht weiter plane. Ein Rückschlag, den er rückblickend auf mehrere Gründe zurückführt: „Mir fehlte es damals an mentaler Stärke, ich hatte auch viel Stress in der Schule und habe mich vom Trainer nicht so geschätzt gefühlt, wie ich es gerne gehabt hätte. Hinzu kamen Wachstumsschmerzen: Ich bin zu jener Zeit schnell gewachsen und hatte Schmerzen an den Knien, Füßen und im unteren Rücken. Dadurch konnte ich meine Leistungen nicht bringen.“ Ein deutscher Scout von Venlo bekam damals Hajdarajs Situation mit und nahm Kontakt zu dessen Berater auf. 2019 schloss sich Hajdaraj der U17 des Vereins an. Es hätte noch andere Alternativen gegeben, sagt Hajdaraj heute, aber Venlo habe ihn sofort überzeugt.

Sein Weg steht exemplarisch dafür, wie Venlo oft junge Spieler für sich gewinnt, denen bei anderen Klubs die Perspektive ausgeht. „Bei manchen jungen Spieler dauert es etwas länger, bis sie für den professionellen Fußball gemacht sind“, sagt Sportdirektor Valckx. „Bei uns bekommt man dann eine Chance, sich auch dem Trainer der 1. Mannschaft zu zeigen.“ Heißt: Venlo ist angewiesen auf die jungen Spieler, entsprechend schneller sind diese im Fokus der ersten Mannschaft. Derzeit sind 13 Akteure im Kader 20 Jahre oder jünger, neun davon kamen bereits zu Einsätzen.

Venlo sucht nach solchen Talenten vor allem in der Region, auch bei größeren deutschen Klubs in Grenznähe. Mit dem 19-jährigen Jonas Theuerzeit gibt es aktuell einen weiteren Spieler in Venlo, der zuvor im Nachwuchs der Borussia spielte. Er gab am vergangenen Wochenende sein Profidebüt. Eine Kooperation mit Mönchengladbach besteht jedoch nicht. „Wir haben das mal versucht, aber das ist nicht richtig gelungen“, sagt Valckx.

Venlo bietet also für junge Spieler eine realistische Möglichkeit, über einen Umweg noch auf die Schnellstraße Profifußball zu gelangen. Was der Verein hingegen nicht bieten kann, ist Geld. Es ist ein Deal, der die Situation beider Seiten berücksichtigt. Denn der Sparzwang in Venlo ist groß, gerade nach dem Abstieg im Vorjahr aus der erstklassigen Eredivisie. Daher sind die meisten Jugendspieler wie Hajdaraj oder Theuerzeit ohne Vertrag im Verein – trotz ihrer Einsätze im Profi-Team. Es fehlt schlicht das Budget für weitere Spielerverträge. Bedeutet überspitzt: Die Spieler könnten bei einem Angebot eines anderen Vereins sofort gehen, Venlo könnte sich aber auch jederzeit von diesen Spielern trennen. Eine Bindung gibt es nicht, auch keine Sicherheit. „Wir haben kein Geld, das wissen die jungen Spieler auch, wir haben ihnen das erklärt“, sagt Valckx. Es sei ein Modell, auf das viele Vereine in den Niederlanden zurückgreifen, heißt es von Venlo. Es gibt lediglich eine Aufwandsentschädigung, dafür, dass Hajdaraj, der immer noch in Mönchengladbach wohnt und hier sein Abitur gemacht hat, sechs Mal die Woche per Auto zum Training anreist.

„Nüchtern betrachtet ist es eine schwierige Situation“, sagt er zu seinem vertragslosen Status. „Aber dadurch, dass ich in der Fußballblase bin, denke ich da nicht so oft drüber nach. Ich versuche alles zu geben und mit Leistung zu überzeugen.“ Dann werde der Vertrag schon kommen, hofft er. Noch haben aber keine Gespräche stattgefunden. „Ich sehe meine Perspektive auf jeden Fall in Venlo. Die Zeit wird zeigen, ob ich die Qualität dafür habe. Ich persönlich glaube, ja“, sagt er. Über einen Plan B zum Fußball denkt er bislang nur indirekt nach. Vielleicht ein Studium, mit seinen 18 Jahren habe er dafür aber noch Zeit, sagt er. Lieber würde er zunächst seinen Profi-Traum in Venlo weiterleben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort