Billiardspieler Martin Horn und Ronny Lindemann „Außenseiter – das entspannt mich“

Interview | Billard-Weltmeisterschaft · Der Stellenwert der Team-Weltmeisterschaft im Dreiband ist hoch. Wie schon zuletzt 2019 spielen Martin Horn und Ronny Lindemann für Deutschland. Im Interview sprechen sie über ihre ungewohnte Rolle als Außenseiter und wie sie die finanziellen Nöte während der Pandemie überstanden haben.

 Bei drei Weltmeisterschaften haben Ronny Lindemann (r.) und Timo Horn (l.) zusammen gespielt.

Bei drei Weltmeisterschaften haben Ronny Lindemann (r.) und Timo Horn (l.) zusammen gespielt.

Foto: David Beineke

Am Donnerstag startet in Viersen die Billard-Weltmeisterschaft Dreiband der Nationalteams. Für Deutschland treten Martin Horn und Ronny Lindemann an. Im Interview mit unserer Redaktion sprechen sie über ihre ungewohnte Rolle als Außenseiter, welchen Stellenwert die Team-WM in Viersen für den Billardsport hat und wie sie die finanziellen Nöte während der Pandemie überstanden haben.

Herr Horn, Herr Lindemann, was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie die Gruppeneinteilungen gesehen haben?

Martin Horn Ich habe mich ehrlich gesagt total gefreut: Belgien, Spanien, Peru und wir – das ist wirklich eine Todesgruppe. In den vergangenen Jahren wurde uns oft die Favoritenrolle zugesprochen, nun gehen wir eher als Außenseiter in die WM. Das entspannt mich total.

Ronny Lindemann Wir starten gegen Peru. Die beiden Peruaner dürfen wir nicht unterschätzen, das Match müssen wir aber sicherlich gewinnen. Das wäre wichtig, um gut in die WM zu finden. Und danach schauen wir, was gegen Belgien und Spanien möglich ist.

Bei der EM in Ankara haben Sie, Herr Lindemann, mit Cengiz Karaca sowohl Belgien als auch Spanien geschlagen. Ein gutes Omen?

Lindemann Auf jeden Fall. Dort haben wir im Viertelfinale und Halbfinale bewiesen, dass wir beide Nationen im Team schlagen können. Und jetzt sind wir durch Martin noch stärker aufgestellt, während Spanien und Belgien mit der gleichen Konstellation antreten. Wir brauchen uns also nicht verstecken und gehen mit breiter Brust in die Spiele.

Immerhin sind Sie zuletzt mit Karaca auch Vize-Europameister geworden. Was ist nun bei der WM mit Martin Horn möglich?

Lindemann Wenn wir es durch die Gruppe schaffen, dann kann es weit nach vorne gehen. Aber das wird ein harter Brocken.

Horn Wir geben als Ziel aus, einfach unsere bestmögliche Leistung zu zeigen und schauen, wozu es reicht. Diese Einstellung fühlt sich im Vorfeld richtig gut an.

Billard ist ja eigentlich ein Einzelsport: Wie hoch ist der Stellenwert dieser Team-WM für Sie?

Horn Da wir Billardspieler Individualisten sind, hat eine Einzel-WM einen etwas höheren Stellenwert. Nichtsdestotrotz ist das Prestige dieses Wettbewerbes weltweit auch sehr hoch. Wir nennen das übrigens nicht die Weltmeisterschaft im Dreiband Team, sondern wir spielen „Viersen“. Es ist das Wimbledon der Billardszene. De WM ist seit über 30 Jahren hier.

Lindemann Außerdem ist es einfach was ganz besonderes, Deutschland vertreten zu dürfen – und das dann auch noch im eigenen Land.

Wie wichtig ist die Chemie zwischen den beiden Spielern für den Erfolg bei diesem Team-Wettbewerb?

Lindemann Aus meiner Sicht ist es sehr wichtig, dass die Harmonie stimmt und man einen guten Teamgeist hat. In der K.o.-Phase kann es beim sogenannten ‚Scotch Double‘ ja auch dazu kommen, dass man gemeinsam spielt – und da harmonieren Martin und ich schon sehr gut.

Wie sah die Vorbereitung für Sie vor so einer WM aus?

Horn Ich habe zu Hause einen eigenen Trainingsraum, in dem ich täglich meine Einheiten mache. Explizit jetzt vor der WM haben wir dort auch die neuen Tücher und Bälle, die seit diesem Jahr vom Weltverband vorgeschrieben werden, intensiv zusammen mit dem Bundestrainer Christian Rudolph testen können. Wir gehen also optimal vorbereitet in diese WM.

In Deutschland sind Sie, Herr Horn, der einzige Vollprofi im Karambol (Dreiband). Wie schwer ist es, vom Billardsport zu leben?

Horn Das ist sehr schwer. Aber nicht nur in Deutschland, sondern auch international. Man muss schon in den Top 30 – wohl eher sogar in den Top 20 der Weltrangliste stehen – um wirklich davon leben zu können: Durch Preisgelder von Turnieren, Sponsoring, Spielhonoraren und Unterricht habe ich eine Kombination aus mehrere Einnahmequellen, mit der ich ganz gut auskomme. Aber ich bin auch weit entfernt von Zahlen, die in anderen Sportarten bezahlt werden. Wenn ich bei Turnieren gut abschneide, verdiene ich ein bisschen mehr. Wenn ich schlecht abschneide, etwas weniger. Aber ich kann immer davon leben, das ist wichtig. Sowieso ist Billard für mich aber auch kein Beruf, sondern eine Berufung. Ich bin sehr dankbar, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte.

Wie ist es bei Ihnen, Herr Lindemann?

Lindemann Im Gegensatz zu Martin bin ich Halbprofi und gehe im Sommer noch einem normalen Beruf nach – da bin ich Schwimmmeister. Dazu habe ich eine Familie mit Kindern und versuche alles unter einen Hut zu kriegen. Das ist manchmal ein hartes Brot, aber ich werde diesen Weg weitergehen. Da im Sommer weniger Ligaspiele stattfinden, verpasse ich da auch nicht so viel. Dennoch habe ich natürlich weniger Zeit zum Spielen als die Vollprofis.

Zwei Jahre konnte die Team-WM in Viersen nicht stattfinden, auch viele Turniere mussten abgesagt werden. Wie sind Sie durch die Corona-Zeit gekommen?

 Für Deutschland treten Martin Horn (l.) und Ronny Lindemann (r.) an.

Für Deutschland treten Martin Horn (l.) und Ronny Lindemann (r.) an.

Foto: Sebastian Kalenberg
 Martin Horn

Martin Horn

Foto: Sebastian Kalenberg

Horn Über 18 Monate gab es quasi keine Ligaspiele oder Turniere – das war schon belastend, weil da natürlich auch viele Einnahmen weggebrochen sind. Ich konnte mich durch Rücklagen aber zum Glück über Wasser halten. Zudem hielt mein privater Sponsor aus Berlin die monatlichen Zahlungen trotz Spielpause aufrecht, dafür bin ich sehr dankbar.

Lindemann Für uns macht der Billardsport einen großen Teil des Lebens aus. Wenn man uns das nimmt, fehlt nicht nur Geld, sondern auch unser Hobby. Während des Lockdowns konnte ich teilweise ja nicht mal trainieren, weil die Vereine schließen mussten. Dementsprechend war die Zeit sehr deprimierend und ich bin heilfroh, dass es jetzt wieder losgeht. Und ich glaube, das geht den Zuschauern ähnlich. Man merkt an der Resonanz, dass sich die Leute wahnsinnig freuen. Es wird sicherlich eine ganz besondere Weltmeisterschaft.

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