Viersen Späte Ehrung für einen Vergessenen

Viersen · Als Kulturförderer und Rektor des Humanistischen Gymnasiums hat Dr. Matthias Kapelle der Stadt einen Dienst erwiesen, der lange unbeachtet geblieben ist. Jetzt erinnert eine Gedenktafel im Alten Gymnasium an ihn.

Am Donnerstag jährte sich der Geburtstag von Dr. Matthias Kapelle zum 134. Mal — ein passender Anlass für die späte Ehrung eines Mannes, der sich als Kulturförderer und prinzipientreuer Pädagoge abseits des nationalsozialistischen Dogmatismus im Dritten Reich einen Namen gemacht hat. Das hat ihm seiner Zeit viele Feinde unter den damaligen Machthabern und viel Bewunderung unter seinen Schülern gebracht.

1921 wurde Matthias Kapelle zum Rektor des Humanistischen Gymnasiums in der Viersener Wilhelmstraße ernannt. Am ersten April 1934 enthoben ihn die Nationalsozialisten schließlich seines Amtes. Im Foyer des Alten Gymnasiums wurde nun, 72 Jahre nach dem Tod Kapelles, ein Gedenkstein enthüllt, der dem bis dahin weitgehend vergessenen Viersener Kulturförderer gewidmet ist.

Peter Giesen hat seinen damaligen Lehrer nie vergessen. Nach mehr als eineinhalb Jahren Überzeugungsarbeit beim städtischen Kulturdezernenten Paul Schrömbges konnte sich Giesen nun darüber freuen, dass sein Einsatz Früchte getragen hat. "Vorlautes Wesen" aber auch "Wortgewandheit" habe ihm Matthias Kapelle in seinem damaligen Zeugnis attestiert, erinnerte sich Peter Giesen. Dass er von eben jener Wortgewandheit auch im Alter von 91 Jahren offenkundig nichts verloren hat, bewies er eindrucksvoll in seiner Dankesrede. "Erinnerung muss gesichert werden. Und dazu habe ich mich beauftragt gefühlt", sagte der gebürtige Viersener, der von 1958 bis 1980 Abgeordneter für die CDU-Landtagsfraktion gewesen ist.

Mit Giesen waren insgesamt vier ehemalige Schüler Kapelles anwesend. Auch Stadtarchivar Marcus Ewers teilte sein Wissen zur Person Matthias Kapelles. "Er war kein Widerständler. Er wollte trotz unterschiedlicher Weltanschauungen das Gemeinschaftsgefühl erhalten."

Kapelles Passion für Schauspiel und Musik ließ ihn zur Triebfeder der kulturellen Entwicklung in Viersen werden. Er gründete einen 20-köpfigen Theaterausschuss, dessen Vorsitz er übernahm. Daraus wurde im Juli 1921 schließlich die Theatergemeinde Viersen, Dülken, Süchteln geboren. Unter Kapelles Regie sorgte die Theatergemeinde dafür, dass die Festhalle zur reinen Kulturhalle umgewandelt wurde. Die Bühne trug sich selbst, weil Kapelle es schaffte 1500 Abos zu verkaufen. "Er hat weltberühmte Schauspieler und Dirigenten nach Viersen geholt. Das war für die Stadt damals einmalig", sagt Giesen. Noch bevor seine Zeit als Rektor beendet wurde, musste Kapelle erleben, wie die Theatergemeinde schließen musste. Sie hatten sich stets gewehrt, sich der deutschen Bühne anzuschließen.

Die Enkelinnen Kapelles verfolgten all diese Anekdoten und Erinngerungen gespannt. Beate Bechthold-Comforti und Gabriele Bechthold haben ihren Großvater nie erlebt. Sie waren beide aus der Region Stuttgart angereist. Mitgebracht hatten sie ein Portraitgemälde von Matthias Kapelle, das seinen Platz neben der Gedenktafel finden wird.

(RP/url)
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