Geburtstag in Viersen Viersens älteste Einwohnerin feiert Geburtstag

Dülken · Am 9. August wird Hildegard Becker 104 Jahre alt. Die Dülkenerin fühlt sich geistig noch richtig fit und freut sich auf ihren Ehrentag. In ihren mehr als 100 Lebensjahren hat sie viel Schönes erlebt — es gab aber auch schwere Zeiten.

 Hildegard Becker hat bis vor wenigen Monaten noch im eigenen Haus gelebt, mittlerweile wohnt sie in einem Seniorenheim in Dülken. Dort empfängt sie auch ihren Geburtstagsbesuch.

Hildegard Becker hat bis vor wenigen Monaten noch im eigenen Haus gelebt, mittlerweile wohnt sie in einem Seniorenheim in Dülken. Dort empfängt sie auch ihren Geburtstagsbesuch.

Foto: Ja/Knappe, Joerg (jkn)

Der Friseur war schon in aller Frühe vor Ort und das Outfit für den wichtigen Tag hing schon seit Tagen frisch gebügelt im Schrank. Für Hildegard Becker ist der 9. August ein außergewöhnlicher Tag: Die Dülkenerin feiert ihren 104. Geburtstag. Damit ist sie die älteste Bürgerin von Viersen. „Ich bin sehr dankbar, dass ich diesen Tag erleben darf“, sagt die kleine zierlicher Frau, der man die 104 Jahre nicht ansieht, wenn sie mit dem Rollator angerollt kommt und über das ganze Gesicht lächelt. Die Augen machten nicht mehr so gut mit, berichtet sie mit etwas Wehmut in der Stimme. Die feuchte Makula, eine Augenerkrankung, macht ihr das Lesen und Schreiben unmöglich. Aber davon lässt sie sich nicht unterkriegen. Ihr Lebensmotto ist, dass man in schweren Tagen an die schönen Tage denken soll, die man schon gehabt hat. Bei ihr ist es eine Vielzahl von schönen Tagen, auch wenn ihr Leben nicht immer einfach war.

Geboren 1917, erlebte sie als Kind die Folgen des Ersten Weltkriegs.  Dann kam der Zweite Weltkrieg, der ihren Bruder das Leben kostete. Gebürtig stammt Hildegard Becker aus Geldern. Dort war ihr Vater der Sekretär der Gräfin von Schloss Haag. Als Hildegard Becker vier Jahre alt war, zog die Familie nach Dülken. „Meinem Onkel gehörte ein Baugeschäft in Viersen. Er fiel von einem Turm und verstarb. Meine Tante stand mit zwei kleinen Kindern ganz alleine da. Mein Vater, also ihr Bruder, verließ mit uns Geldern, um sie im Geschäft zu unterstützen“, erzählt die Seniorin.

 Mit ihrem Mann Werner hat Hildegard Becker Europa bereist.

Mit ihrem Mann Werner hat Hildegard Becker Europa bereist.

Foto: Becker

In Dülken besuchte sie die Südschule und später das Lyzeum in Viersen, wo sie mit der mittleren Reife die Schule beendete. Es folgte eine kaufmännische Ausbildung. Beruflich ging es zunächst in die Niederlande, wo sie auch etliche Jahre lebte. Durch eine Mönchengladbacher Freundin lernte sie ihren zukünftigen Mann Werner kennen, der in der Vitus-Stadt eine Vertretungsstelle als Assessor innehatte. Es war Liebe auf den ersten Blick. Noch im Kennenlernjahr wurde die Verlobung an Weihnachten gefeiert. Heirat, die Selbstständigkeit ihres Mannes als Notar in Dülken, die Geburt der Söhne Werner und Klaus, der Umzug von der Mietwohnung an der Viersener Straße in das eigene Haus an der Theodor-Frings-Alles – es waren ereignisreiche Jahre. „Ich habe bei meinem Mann im Notariat mitgearbeitet und ihm die Bücher geführt. Zahlen waren immer mein Ding“, sagt Becker. Mit einem Lächeln erinnert sie sich daran, wie die Gehälter früher noch in Tüten verpackt und übergeben wurden.

Gerne erzählt die Seniorin vom Boom der 60er Jahre, als das Reisen aufkam und die Familie ebenfalls reiselustig war. Das Reisen war es auch, das ihr Leben bestimmte, als ihr Mann im Ruhestand war. „Wir haben ganz Europa bereist und waren sogar in Ägypten. Es war die schönste Zeit in meinem Leben“, berichtet sie. Doch das Schicksal holte sie ein. Ihr Mann erkrankte und verstarb. Noch bis vor zwei  Monaten lebte sie zusammen mit ihrer zehn Jahre jüngeren Schwester im eigenen Haus. Räuber Rommé mit der Nachbarin spielen, gehörte dabei zu ihren Lieblingsbeschäftigungen. Dann stand der Umzug ins Dülkener Bodelschwinghwerk an. Leicht ist es ihr nicht gefallen, das eigene Haus zu verlassen, aber „ich habe das schönste Zimmer im ganzen Bodelschwinghwerk“, ist sich Becker sicher. Sie betont, dass sie sich im Seniorenheim sehr gut aufgehoben fühle. Sie liebt den Blick aus ihrem Zimmer in den Park mit seinem alten Baumbestand. Wann immer es möglich ist, geht sie nach draußen, um die Natur zu genießen. Das Quiz im Haus hat sie auch schon besucht und in der nächsten Zeit würde sie gerne das Kegeln im Sitzen ausprobieren, das angeboten wird. Schließlich gehörte Kegeln einst zu ihren Hobbys. Jetzt steht aber erst einmal ihr Geburtstag im Mittelpunkt. Gefeiert wird der 104. Geburtstag im Musikzimmer des Seniorenhauses. „Wir haben uns einiges an Überraschungen einfallen lassen“, sagt Beate Thyßen-Eckhardt, die Leiterin vom Sozialen Dienst.

An ihren ersten dreistelligen Jahrestag, den 100. Geburtstag, erinnert sich Hildegard Becker immer noch gerne zurück. Damals wurde in Dülken bei Sergio im Restaurant La Tavola gefeiert und das mit über 100 Gästen. So groß wird die Gesellschaft diesmal zwar nicht werden, aber Hildegard Becker kann sich dennoch sicher sein, dass es ein schöner Tag wird. Was sie besonders freut, ist die Tatsache, dass ihre beiden Söhne vorbeikommen und sich schon etliche Bekannte für einen Besuch angemeldet haben. Ansonsten gibt es gleich acht Enkelkinder und eine Ur-Enkelin. „Wobei mein zweites Urenkelkind auf dem Weg ist“, erzählt sie.  Und dann existierte da noch ein roter Faden, der sich durch die Familie zieht. Den Beckers liegt die Juristerei in den Genen. Ihre Söhne sind beide Juristen geworden und die Hälfte der Familie ist in diese Fußstapfen getreten, die Werner Becker Senior gelegt hat. „Das ist ansteckend bei euch, hat mir einmal eine Bekannte gesagt“, erzählt Hildegard Becker mit einem Augenzwinkern.

Dass sie selber einmal ein so hohes Alter erreichen würde und das mit bester geistiger Fitness, das hätte sich die Dülkenerin nicht träumen lassen. So aber ist es schon ihr fünfter dreistelliger Geburtstag, den sie feiern kann. 

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