Die spannendsten Bräuche zum 1. Mai Als der Maibaum unter Strom gesetzt wurde

Schwalmtal · In Schwalmtal wurden rund um den 1. Mai viele Bräuche gepflegt. Wie Maibäume bewacht und vor Diebstahl gesichert worden und was das Maigericht ist, erklärt Klaus Müller vom Heimatverein Waldniel.

 Bunte Bänder eines Maibaumes flattern vor dem blauen Himmel.

Bunte Bänder eines Maibaumes flattern vor dem blauen Himmel.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Der Mai übt schon immer eine besondere Faszination auf uns Menschen aus. So ist es kein Wunder, das es verschiedene Rituale gibt , um den Mai willkommen zu heißen. Wenn ich mich heute am 1. Mai umschaue, sehe ich hier und da einen Maibaum oder in verschiedenen Schornsteinen frischbelaubte Äste einer Birke stecken, die mit bunten Papierbändern geschmückt sind. Diese bunten Prunkbäumchen nennt man „Mai“. In Waldniel in der Nachbarschaft Sechs Linden pflegt man dieses Brauchtum noch. Seit 43 Jahren errichtet man dort in der Mainacht einen prächtigen Maibaum.

Schon die Germanen verehrten Waldgottheiten, die Römer feierten das Fest der Flora, Patronin des Frühlings und der Blumen. Doch wie begrüßen wir in Schwalmtal den Wonnemonat? Ein alter Brauch unserer Vorfahren war das „Mailehen“. Die Dorfburschen führten eine Versteigerung der Dorfmädchen durch. Am brennenden Maifeuer wurde das „Lehen“ (die Mädchen des Dorfes) versteigert. Das Mädchen wurde dem Burschen, der es ersteigert hatte, für eine bestimmte Zeit als Lehen zuerkannt. Er hatte das Recht erworben, es zum Tanz und zu allen Dorffestlichkeiten zu führen. Nach der Ersteigerung schmückte der Bursche als Zeichen seiner Gunst das Heim der Auserwählten mit Maienzweigen oder er setzte ihr einen Maibaum. Passte dem Mädchen der Bursche aber nicht, gab sie ihm zu verstehen, dass seine Annäherungsversuche zwecklos seien.

Außerdem gab es Maigerichte: In der Maiennacht versammelten sich die Dorfburschen, um ein Urteil über die unverheirateten Mädchen des Dorfes abzugeben. So sind die verschiedenen Arten der Maibäume zu deuten. Der Birkenast mit bunten Papierbändern war das normalste. Aber wer seinem Mädchen ein geschmücktes Tannenbäumchen steckte, der meinte es schon etwas ernster. Es bedeutete Treue. Ein Mädchen, das sehr gesprächig war, bekam ein Bäumchen aus Holunderholz (auf Platt Tuutehoot). Dies bedeutete, dass sie nichts für sich behalten konnte. Sie „tuutet“ alles aus. Einen Mai aus Buche bekam ein schon etwas älteres unverheiratetes Fräulein. Das bedeutete, dass sie sich noch einen suchen muss (buche gleich suchen). Wer einen dürren Ast im Schornstein hatte, der stand nicht besonders hoch in der Gunst der Burschen. Sie hielten das Mädchen für eine Hexe und nahmen an, dass sie auch moralisch nicht einwandfrei war.

Heute werden kleine Papierröschen-Herzen mit den Anfangsbuchstaben der Angebeteten an die Tür ihres Wohnsitzes gehängt. Das ist schon ein halbes Eheversprechen. Gegenüber früher purer Luxus.

Nachbarschaften oder Vereine setzten am Vorabend des 1. Mai einen großen Mai. Er war 20 bis 30 Meter hoch, mit Tannengrün bekränzten Ringen und mit bunten Bändern geschmückt. Oben auf war ein kleiner, mit Papierröschen geschmückter Tannenbaum festgebunden. Nach dem Errichten des Maibaumes wurde (und wird) die erste Strophe des Liedes „Der Mai ist gekommen“ gesungen.

Der große Maibaum musste die ganze Nacht bewacht werden, damit er nicht geklaut oder abgeschnitten wurde. War es denn doch passiert, war die Blamage groß. Was noch schlimmer war: Man musste ihn mit einem Kasten Bier auslösen und wieder zurückschleppen. Besonders findige Burschen ummantelten den Baum unten mit Maschendraht, damit man dort nicht sägen konnte. Sogar ein Gerät was sonst verwendet wurde, um den Weidenzaun unter Strom zu setzen, kam zum Einsatz.

Wenn die jungen Burschen in der Maiennacht von ihren Maibaumeinsatz heimkehrten, war noch nicht Schluss. Übermut und das zu viel getrunkene Bier zeigten Wirkung. So wurden am Morgen des 1. Mai bei uns in Waldniel auf dem Marktplatz mehrere Blenden, Gartenstühle, Fußmatten, Blumentöpfe und sogar Ackergeräte gefunden. Da half auch der übermäßige Einsatz der Polizeimeister Tantow, Laux und Scheib nichts.

In Ungerath gab es bis Ende der fünfziger Jahre einen Verein mit dem Namen Ungerather Maifreunde (auf Platt „de Maijkitse“). Sie pflegten das Maibrauchtum. Denn was gibt es Schöneres als zu feiern?

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