Themenwoche Schule Primus-Eltern müssen weiter warten
Serie | Viersen · Eltern und Unterstützer der Primus-Schule sind enttäuscht: Eigentlich wollten sie zeitnah anfangen, Unterschriften für den Erhalt der Schule zu sammeln, doch ihr Antrag ist bei der Stadt noch immer in Bearbeitung. Entmutigen lassen sie sich nicht.
Familienvater Stefan Winz hatte sich von seinem Termin bei der Stadtverwaltung an diesem Donnerstag mehr erwartet. „Wir sind schon sehr enttäuscht“, sagt der 43-Jährige. „Das ist auch sehr, sehr ärgerlich“, fügt er an. Winz ist einer von drei Unterzeichnern eines Antrags auf Bürgerbegehren, der Anfang August an die Stadt versandt wurde. Mit ihrer Initiative „Primus ist Zukunft“ setzen sie sich dafür ein, dass möglichst bald die Viersenerinnen und Viersener darüber entscheiden, ob der Primus-Schulversuch in Viersen verlängert werden soll. Winz, dessen Sohn und Tochter die Primus-Schule besuchen, hatte gehofft, dass nun die notwendigen Formalitäten geklärt sind und die Initiative damit beginnen kann, Unterschriften zu sammeln. „Aber wir wurden leider vertröstet“, sagt er. Beim Termin mit Vertretern der Stadtverwaltung sei ihnen mitgeteilt worden, dass die notwendige Kostenschätzung noch nicht fertig sei. Doch auch, wenn die Antragsteller enttäuscht und verärgert sind: Entmutigen lassen sie sich nicht. „Jetzt werden wir wohl erstmal auf eine Plakataktion umschwenken, damit das Thema in Viersen nicht vergessen wird“, kündigt Winz an.
In Nordrhein-Westfalen gibt es insgesamt fünf Primus-Schulen. Eine Besonderheit dieses Modell-Versuchs des längeren gemeinsamen Lernens: Kinder werden dort von der ersten bis zur zehnten Klasse unterrichtet. Im Juni hatte der Viersener Stadtrat mehrheitlich beschlossen, dass die Primus-Schule zum Schuljahresbeginn 2023/24 letztmalig Erstklässler aufnehmen soll, die bis zur zehnten Klasse bleiben können. Danach soll Schluss sein. Eltern, Schüler und Lehrer der Primus-Schule hatten versucht, dies zu verhindern. CDU, SPD und FDP argumentierten, der Schulversuch funktioniere in Viersen nicht und werde von den Eltern nicht genug angenommen.
Die Initiative „Primus ist Zukunft“ fordert weiterhin, anders als vom Rat beschlossen, den Primus-Schulversuch in Viersen fortzuführen. Sie hat deshalb den Antrag auf Bürgerbegehren gestellt. Die Stadt Viersen muss bei der Einleitung eines Bürgerbegehrens behilflich sein. Die Gemeindeordnung schreibt vor, dass Bürger, die ein Bürgerbegehren einleiten wollen, diese Absicht der Verwaltung schriftlich mitteilen müssen. Aufgrund dieser Mitteilung schätzt die Verwaltung die Kosten der im Begehren verlangten Maßnahmen und teilt diese den Vertretern des Bürgerbegehrens schriftlich mit. Darauf warten Winz und seine Mitstreiter nun. Für ihn ist nicht nachvollziehbar, dass die Prüfung auch nach mehr als zweieinhalb Monaten noch nicht abgeschlossen ist. Es gehe doch um eine Verlängerung eines bereits laufenden Schulversuchs um drei Jahre.
„Wir sind davon ausgegangen, dass wir Mitte November starten können“, sagt der Süchtelner. Doch jetzt werde es womöglich eher Dezember oder Januar. Denn: Sobald die Rückmeldung von der Stadt vorliegt, möchte die Initiative erst einmal 25 gültige Unterschriften sammeln und dem Stadtrat ihren Antrag auf Bürgerbegehren zur Vorprüfung vorlegen. Der tagt aber schon Mitte November, danach erst wieder Mitte Dezember. Winz rechnet schon nicht mehr damit, dass es ihr Anliegen noch auf die November-Tagesordnung schafft.
Stellt der Rat fest, dass der Antrag formal richtig ist, sollen im nächsten Schritt stadtweit Unterschriften gesammelt werden – möglichst mindestens 3.790 (sechs Prozent der 63.176 Wahlberechtigten). So viele benötigt die Initiative, um einen Bürgerentscheid zu erwirken oder den Rat womöglich zum Umdenken zu bewegen. Beim Bürgerentscheid würden die Viersener über folgende Frage abstimmen: „Soll die Erprobungsphase der Primus-Modellschule, wie durch den Landtag von NRW beschlossen, auch in Viersen um drei Jahre verlängert werden?“
Winz hatte darauf gebaut, am Rande von Martinszügen, auf Weihnachtsmärkten oder – falls es überhaupt irgendwo angeboten wird – beim Public Viewing während der Fußball-Weltmeisterschaft in der Stadt Unterschriften sammeln zu können. Jetzt muss er damit rechnen, dass Züge, Märkte und WM längst beendet sind, wenn die Initiative mit der Sammlung startet. Was ihn außerdem ärgert: „Wenn der Rat im Dezember entscheidet, sind danach Weihnachtsferien. Das wäre kein guter Zeitpunkt, um Unterschriften zu sammeln.“ Einfach abwarten, bis die Ferien vorbei sind, kann die Initiative auch nicht: Sie muss Fristen beachten. Ab dem Ratsbeschluss im Juni lief die Uhr, insgesamt seien drei Monate Zeit, um die Unterschriften zu sammeln, erläutert Winz. Während der Antrag bei der Stadt liegt, sei die Uhr gestoppt.
In der Zwischenzeit hat die Initiative eine Workshop-Gruppe gegründet, die sich auf die Unterschriften-Aktion vorbereitet. An diesem Samstag sei das nächste Treffen, erzählt Winz. Auch seine Frau Anna Winz, die Schulpflegschaftsvorsitzende der Primus-Schule, gehört dazu. Die Gruppe bestehe aus zehn bis 15 Teilnehmern, vor allem Eltern, aber auch Unterstützern, erzählt der 43-Jährige. Zwei Treffen habe es bereits gegeben. „Wir haben zum Beispiel Rollenspiele gemacht“, sagt Winz: Wie spreche ich am besten die Menschen an? Welche Gegenargumente können uns begegnen, was entgegnen wir? Unter anderem dies sei geübt worden. Beim nächsten Treffen soll nun über die Plakat-Aktion gesprochen werden. „Primus ist Zukunft“, soll voraussichtlich auf den Plakaten zu lesen sein.
Dazu, warum die Kostenschätzung noch nicht abgeschlossen ist, teilt die Stadt auf Anfrage mit: „Die Kostenschätzung ist ein wesentliches Entscheidungskriterium. Wir wollen und müssen sicherstellen, dass den Antragstellenden und gegebenenfalls im weiteren Verlauf des Verfahrens den Bürgerinnen und Bürgern hier eine schlüssige und nachvollziehbare Einschätzung vorgelegt wird.“ Die Dauer der Kostenermittlung hänge von der Komplexität des Sachverhaltes ab. Im Fall des Bürgerbegehrens Primus-Schule müssten für eine nach bestem Wissen plausible, wahrheitsgemäße und vollständige Kostenschätzung eine Vielzahl von Aspekten geprüft und über mehrere Fachbereiche abgestimmt werden. „Die Einschätzung, dass die aktuelle Prüfung einen außergewöhnlich langen Zeitraum in Anspruch nimmt, können wir nicht bestätigen.“