Viersen Rivalisierende Städte rangen um die Verbindung nach Venlo

Viersen · 1844 gründete sich die "Ruhrort-Crefeld-Kreis Gladbacher Eisenbahn" - RCKGE. Sie erhielt 1847 die Konzession zum Bau und Betrieb einer Bahnlinie vom Rhein bei Krefeld über Viersen nach Mönchengladbach. Die Strecke wurde 1852 eröffnet - die Abzweigstrecke nach Venlo schien nur eine Frage der Zeit zu sein.

 Der Bahnhof Venlo 1935: Im Zweiten Weltkrieg wurde er vollständig zerstört.

Der Bahnhof Venlo 1935: Im Zweiten Weltkrieg wurde er vollständig zerstört.

Foto: Gemeentearchiev Venlo

Doch die Rivalität rheinischer Städte verhinderte in den folgenden Jahren jede weitere Entwicklung. Die Protagonisten in der Eisenbahnfehde waren Köln und Düsseldorf, in deren Windschatten sich unterschiedliche Koalitionen bildeten. Zur Debatte standen drei Trassen nach Venlo: 1. Düsseldorf-Neuss-Krefeld-Venlo, 2. Köln-Mönchengladbach-Viersen-Venlo oder 3. Köln-Neuss-Krefeld-Venlo.

Der 1815 in Dülken geborene Präsident der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft, Gustav Mevissen, hatte 1845 alle Interessenvertreter einer Bahnstrecke von Köln über Mönchengladbach und Viersen nach Venlo an einen Tisch geholt. Ein Jahr später gründete sich daraus die "Niederrhein-Nordsee-Verbindungsbahn".

Doch zerschlugen sich deren Projekte erneut. Köln favorisierte die Gleisführung über Neuss und Krefeld, vorbei an Düsseldorf. Die Regierung der Rheinprovinz in Düsseldorf lehnte das ab.

Friedrich-Wilhlm Diergardt wollte die Pattsituation auflösen und trieb Bahnpläne für den Abschnitt Viersen-Venlo voran. Ab 1846 agierte eine sehr zielstrebige Projektgruppe Viersen-Dülken-Venloer Eisenbahn. In Berlin gingen in diesen Jahren reihenweise Konzessionsanfragen für alle erdenklichen Bahnverbindungen im Rheinland ein. Aber an der Spree hatte man andere Sorgen: Die Revolution von 1848 zog herauf. Erst 1851 lebten wieder Pläne für die Verbindung Mönchengladbach-Viersen-Venlo auf. Die Industrie- und Handelskammern in Venlo und in Mönchengladbach wiesen in Briefen auf die Bedeutung der Bahnverbindung hin, die von Venlo aus den transatlantischen Handel der niederrheinischen Textilindustrie fördern sollte. "Venlo ist der Hafen des Gladbacher Fabrik-Distrikts", unterstrich die Gladbacher Handelskammer, rund 90 Prozent des Güterumschlags dort gehe auf Mönchengladbach zurück. Alles wäre einfach gewesen, hätte es nicht auch damals schon regionale Rivalitäten gegeben. In Viersen diskutierte man eine Streckenführung über Dülken nach Venlo oder alternativ über Süchteln. Letztere hatte den Charme, dass man die Trasse auf den (vorhandenen) Deichanlagen des von Napoleon verfolgten "Grand Canal du Nord" (Nordkanal) hätte anlegen können. Lokalen Ärger gab es, als die Mönchengladbacher 1860 den Plan einer direkten Verbindung über Dülken vorlegten - vorbei an Viersen, das Mönchengladbach als lästige Konkurrenz galt. Die Dülkener hätten sich damit durchaus anfreunden können, denn auch sie waren Viersen nicht freundlich gesonnen. Schließlich entschied man sich aber für die heutige Trasse. Süchteln wurde nicht berücksichtigt, weil es nicht genügend Geldgeber für die Nordkanal-Trasse gab. In den Niederlanden war es nicht anders. Venlo und Roermond stritten sich heftig um den Anschluss an das preußische Eisenbahnnetz. Venlo setzte sich schließlich durch.

Am 21. August 1863 wurde die "Preußisch-Niederländische Verbindungsbahn Actien-Gesellschaft" gegründet - mit dem Auftrag, die Bahnstrecken von Gladbach über Viersen und Dülken nach Venlo sowie von Krefeld über Kempen nach Venlo zu errichten. Die Ausführung übernahm die "Bergisch-Märkische Eisenbahn". Die Trasse nach Mönchengladbach wurde am 5. November 1866 eingeweiht. Erst 1898 wurde die Strecke von Mönchengladbach nach Köln fortgesetzt. Dagegen wurde schon 1867 die von der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft betriebene Trasse von Venlo über Kempen bis nach Krefeld eröffnet.

Da die Bahnverbindungen damals nur ein Gleis erhielten, existiert bis heute zwischen Kaldenkirchen und Dülken nur ein Gleis. Das war auch zwischen Kaldenkirchen und Kempen der Fall. Stets zweigleisig war der Abschnitt von Venlo bis Kaldenkirchen nur deswegen, weil zwei Gesellschaften jeweils ihr eigenes Gleis bauten. Weil in Dülken später die Trasse von Brüggen über Waldniel und Amern ankam, lief die auch parallel bis Viersen. Das erklärt dort das zweite Gleis. Züge von Venlo nach Krefeld mussten in Kempen "kopfmachen", also die Lokomotive umspannen. Das galt auch für Züge von Venlo über Viersen ins Ruhrgebiet. Die "Viersener Kurve" stand damals nie zur Diskussion.

(lp)
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