Niederkrüchten Querungshilfe für Wildtiere

Niederkrüchten · Ortstermin gestern morgen an der A 52 bei Elmpt: Forstexperten wollen sehen, ob die Brücke von Reh und Wildschwein auch genutzt wird. Fährten beweisen: Auch oberhalb der Autobahn herrscht reger Betrieb.

Gestern Morgen an der A 52 bei Elmpt: Die ersten Pendler fahren Richtung Niederlande unter der Landschaftsbrücke hindurch. Dass diese Brücke anders ist als andere, dass auf ihr sogar Bäume wachsen, sieht man von unten nicht. Eineinviertel Jahr nach Freigabe der Autobahn ragt noch kaum etwas über die grüne Wand, die die Brücke in Richtung Autobahn abschirmt. 50 Meter breit ist die Landschaftsbrücke. Sie wurde gebaut, um die Lebensräume der Tiere im Grenzwald auf beiden Seiten der Autobahn zu vernetzen – "Entschneidung von fragmentierten Lebensräumen" nennt das Thomas Kämmerling, Sachverständiger beim Landesbetrieb Straßen.NRW.

Wildsau wagt den ersten Schritt

Für Menschen ist die Brücke tabu, sie können andere Überwege nutzen. Wer dennoch in den Roteichen-Wald südlich der A 52 geht, ist erstaunt: Von dort aus sieht es auf der Brücke so aus, als schaue man auf eine Lichtung, auf der jemand akkurat Eichen und Ebereschen in Reihen gepflanzt hat. Jagdpächter Theo Linder, der seit 49 Jahren sein Revier dort hat, ist begeistert von der Querungshilfe für Tiere. "Ein absoluter Erfolg", schwärmt Linder. Das Wild habe die Brücke sehr schnell angenommen. Er blättert im Jagd-Tagebuch: "Am 30. März 2009 ist das erste Wildschwein über die Brücke gegangen", berichtet der Jäger, "da war gerade der Mutterboden drauf, ein einziger Modder." Eine relativ kleine Wildsau habe den Weg aber trotzdem gewagt – "und das arme Tier ist bis zum Bauch eingesunken."

Neben der Vernetzung des zerschnittenen Lebensraums haben Grünbrücken ein weiteres Ziel: die Vermeidung von Wildunfällen. 850 Milliarden Kilometer, so Kämmerling, würden in Deutschland jährlich von Fahrzeugen aller Art zurückgelegt. Da erscheinen 250 000 Wildunfälle pro Jahr, wie sie der ADAC errechnet hat, eher zu tief gegriffen. Allein in NRW gibt es laut Landesjagdverband jährlich etwa 30 schwer verletzte Menschen durch Wildunfälle – für das Tier endet der Unfall fast immer tödlich.

Eine Zeit nach den Schwarzkitteln hätten auch die Rehe das Angebot angenommen, sagt Jäger Linder. An die Autos habe sich das Wild gut gewöhnt, der Lärm störe die Tiere nicht – ganz anders geht es vielen Menschen in Elmpt, die sich durch die neue Autobahn beeinträchtigt fühlen. Dass die Brücke genutzt wird, daran besteht kein Zweifel. Die Fährten auf der Brücke, die Linder gemeinsam mit Michael Wießner vom Regionalforstamt Niederrhein und Kämmerling liest, künden davon, dass auch oberhalb der Autobahn reger Betrieb herrscht. "Das ist nicht Reh, das ist Frischling", ist Linder bei der ersten Spur überzeugt. Die nächste Spur dagegen stammt von einem Reh – "zügig unterwegs, aber nicht in allergrößter Eile", diagnostiziert der Jäger.

"Die Wildbrücken funktionieren, keine Frage", sagt Dietrich Cerff, Naturschutzreferent an der Nabu-Station in Kranenburg. Allerdings dürfe man sie nicht als Allheilmittel betrachten. Für kleine Krabbler, die nicht in der Lage seien, mehrere Kilometer zu wandern, bleibe der Lebensraum weiterhin zerschnitten. "Die Brücken helfen, die Sünden der Vergangenheit zu minimieren". sagt der Naturschützer, "sollten aber nicht Rechtfertigung für ständig neue Sünden sein."

(RP)
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