Polizistin aus Viersen Zurück im Leben und voller Tatendrang
Viersen · Als ein betrunkener Lkw-Fahrer ihren Streifenwagen im Dezember 2017 rammte, überlebte die Viersener Polizistin Sandra Winkler schwer verletzt. Sie kämpfte sich zurück ins Leben, nahm im September an den Invictus Games teil. Wie haben die Ereignisse sie verändert?
Ende Dezember war der sechste Jahrestag des schweren Unfalls auf der A61, bei dem eine junge Kollegin von Sandra Winkler verstarb und bei dem die Polizistin schwer verletzt wurde. An die Zeit, die folgte, den Aufenthalt auf der Intensivstation, das Bangen ihres Ehemannes, die Sorgen, die ihre Verwandten und Bekannten quälten, hat die 54-Jährige keinerlei Erinnerung. „Mir fehlen drei Wochen meines Lebens, sogar rückwirkend bis einige Tage vor dem Unfall weiß ich rein gar nichts“, sagt sie. Dies bedauere sie einerseits, sie wisse das aber auch zu schätzen. „Man kann eben nicht alles haben“, meint sie. „Gern würde ich mir die letzten Stunden und Minuten, vielleicht auch die Gespräche, die ich vorher mit meiner Kollegin führte, ins Gedächtnis rufen, doch würde ich mich daran erinnern, kehrten wohl auch die Bilder an den Unfall zurück“ – und ob sie dies verkraften könne, sei ungewiss.
Sandra Winkler hatte bei dem Unfall ein lebensbedrohliches Schädel-Hirn-Trauma mit akuter Blutung, eine folgenschwere Verletzung beider Halsschlagadern sowie diverse Knochenbrüche erlitten. Manchmal sei es immer noch vonnöten, „mir selbst zu sagen, dass ich wirklich dabei war und die Geschehnisse nicht nur Auswüchse meiner Fantasie sind“, sagt sie.
Der Kampf zurück ins Leben gestaltete sich zwar mühselig, doch ist die Polizistin am Ende froh, dass „alles irgendwie doch noch gut ausgegangen ist“. Groll gegen den betrunkenen Fahrer des Lkw hege sie nicht, empfinde es aber als Genugtuung, dass er fast drei Jahre lag einsitzen musste und nicht mit einer Geldbuße oder einer Strafe auf Bewährung davon kam.
Für ihre verhältnismäßig rasche Genesung macht Sandra Winkler, neben der Unterstützung durch ihre Familie, Freunde und nahestehender Kollegen, vor allem zwei Faktoren verantwortlich: zum einen ihre schon vor dem Unfall bestehende gute Grundfitness, die die Genesung „zweifelsohne vorantrieb“, zum anderen ihre Teilnahme an den Invictus Games 2023. Bei dem internationalen Sportevent für an Körper und Seele versehrte Soldaten, das im September in Düsseldorf ausgetragen wurde, konnte Sandra Winkler zeigen, „dass viel mehr in mir steckt und ich viel mehr kann, als die Ärzte und Gutachter mir in der Zeit nach meinem Unfall und sogar bis zuletzt bescheinigen wollten“. Sie betont, dass sie das Vertrauen der Verantwortlichen der Wettkämpfe in sie als besonders wertschätzend empfunden habe. Schon die Vorbereitungszeit, insgesamt elf Wochen Trainingslager in Warendorf und das Zusammensein im deutschen Team, zu dem neben Winkler noch drei weitere Vertreter der „Blaulichtfraktion“ gehörten, seien Erlebnisse der Extraklasse gewesen, sagt die Polizistin, die zurzeit im Verkehrskommissariat tätig ist. Doch nichts sei vergleichbar gewesen mit dem, was die Invictus Games, die über den Zeitraum einer Woche stattfanden, für sie bereithielten. „Ich habe in meinem Leben schon an vielen Wettkämpfen teilgenommen, habe es in der Leichtathletik bis zu den Europameisterschaften geschafft und war davon ausgegangen, dass die Beteiligung an den Invictus Games schon so etwas wie das i-Tüpfelchen sein würde“, erzählt Winkler. „Doch es war viel mehr als das erhoffte Sahnehäubchen; es war der pure Wahnsinn!“
Im Mittelpunkt habe immer das Miteinander gestanden, der Konkurrenzkampf sei von den meisten lediglich als bedingt wichtig empfunden worden. Von den vielen Gänsehautmomenten hingegen zehre sie noch heute. „Jeder bejubelte jeden, egal wie schnell man war oder welche Leistungen erbracht wurden“, erinnert Winkler sich. Wesentlich sei nur gewesen, dass „am Ende der Hausmeister keine Überstunden einlegen musste, um hinter uns abschließen zu können“.
Eine erneute Teilnahme kann sich die Polizistin vorstellen, würde sich sogar freuen, wenn man sie wieder einlädt, „vielleicht ja nach Neuseeland“, der unter Vorbehalt genannte Austragungsort der Games für 2027. Dafür wäre sie sogar imstande, ihre Flugangst zu überwinden, behauptet Winkler. Dass sie „ein Stück weit ein anderer Mensch geworden“ sei, sowohl bereits nach dem Unfall, aber auch nach den positiven Ereignissen, die die Invictus Games mit sich gebracht haben, stehe außer Frage. Von enormer Bedeutung für den Heilungsprozess sei, „dass man über alles redet“ und dass es ungefragt und unaufgefordert Unterstützung gebe.
Der Wunsch, sich beruflich zukünftig mit Leuten zu beschäftigen, die Ähnliches erlebt haben, ist verständlich und naheliegend, und Sandra Winkler arbeitet derzeit an entsprechenden Vorschlägen.