Kreis Viersen Ohne Scholle kein Bauer

Kreis Viersen · Die Landwirtschaft leidet unter dem enormen Flächenfraß der Industriegesellschaft. Immer mehr bisher landwirtschaftlich genutzte Flächen werden versiegelt und den Bauern entzogen. Das kann teuer werden.

 Der Bau der A61/A74 in Nettetal und Venlo sowie der Gewerbepark Venete rauben der Landwirtschaft große Produktionsflächen.

Der Bau der A61/A74 in Nettetal und Venlo sowie der Gewerbepark Venete rauben der Landwirtschaft große Produktionsflächen.

Foto: Busch

64 Meter lang und gut fünf Meter breit ist die stählerne Brücke, die am kommenden Montag gleich hinter der Grenze über die neue Autobahn zwischen Kaldenkirchen und Tegelen gelegt wird. Ein Meisterstück der Ingenieurstechnik, der der Vorsitzende des Kreisbauernschaft Krefeld-Kreis Viersen, Paul Christian Küskens allerdings nicht viel abgewinnen kann. Die Autobahn und der gewerbepark Venete nehmen der Landwirtschaft etliche Hektar Fläche, die sie nie mehr zurückerhält.

Das Gegenteil ist der Fall. Denn jede versiegelte Fläche muss ausgeglichen werden. Das heißt, andere Flächen werden naturnah gestaltet. "Das ist oft das Drei- bis Vierfache der versiegelten Fläche. Auch die geht uns verloren", klagt der Niederkrüchtener Landwirt. Pro Tag, sagt er, werden in Deutschland 14 Fußballfelder verbaut. Seit 1992 sind in Deutschland 800 000 Hektar versiegelt worden, das entspricht der landwirtschaftlichen Fläche der Bundesländer Rheinland-Pfalz und Saarland.

Schlechter Ausgleich

Küskens sieht die Landwirtschaft akut gefährdet, wenn ihr in diesem Tempo weiterhin Ackerflächen entzogen werden. "Zurückgegeben hat nach meinem Wissen bisher noch niemand der Landwirtschaft Flächen, die man ihr einmal abgenommen hat", sagt er. Küskens verhaart nicht im Schwarz-Weiß-Denken. "Ich kann ja nachvollziehen, dass ein Berufskollege einen Acker verkauft, wenn darauf gebaut werden soll. Aber der Flächenausgleich, der daraus folgt, hat für uns ruinöse Folgen. Nicht nur die mehrfache Menge, sondern auch der Zuschnitt verbleibender Flächen gehen laut Küskens mehr und mehr zu Lasten der Bauern und Gärtner. "Gut zusammenhängende Flächen sind beim Bau der A 52 in Niederkrüchten seinerzeit zum Ausgleich herangezogen worden. Der Landwirtschaft hat man schlecht geschnittene und unrentable Areale überlassen."

Endgültig unbegreiflich geworden ist ihm die Politik des Flächenverbrauchs mit der so genannten Energiewende: "Man erwartet von uns den Anbau nachwachsender Rohstoffe und entzieht uns gleichzeitig die Flächen. Wo sollen wir denn Energiepflanzen künftig anbauen?" Küskens zeichnet ein dramatisches Bild: Nicht der fehlende Platz für Kühe oder Schweine werde die Existenz von landwirtschaftlichen Betrieben bald noch mehr als bisher schon gefährden. Viel gravierender sei die Verknappung verfügbarer Flächen. "In Krefeld und Willich gehen Böden mit bester Qualität verloren. Da findet eine Wertschöpfung von mehreren zehntausend Euro pro Hektar statt, aber die Politik nimmt das einfach nichts zur Kenntnis. Küskens sagt, dass die Verknappung von Ackerland bereits jetzt Preise im Lebensmittelsektor treibt, weil nicht die im Markt erforderlichen Mengen angebaut werden.

Einen Ausweg aus der Misere sieht er darin, dass die Stiftung Rheinische Kulturlandschaft auch im Kreis Viersen den Flächenausgleich übernimmt. Mit ihren Regeln könnten Landwirte eher leben. "Aber das ist im Kreis Viersen einfach nicht möglich", klagt Küskens. Als Niederkrüchtener schaut er natürlich auch auf die Konversion des früheren Flugplatzes dort. Von den 900 Hektar Fläche werde wohl die Landwirtschaft überhaupt nichts erhalten, sagt er voraus.

FRAGE DES TAGES

(RP)
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