Niederkrüchten 207 Meter hohe Windräder für Bönnesohl

NIEDERKRÜCHTEN · Die Gemeinde Niederkrüchten will Wildwuchs von Windkraftanlagen verhindern. Darum sollen Vorrangflächen ausgewiesen werden. Das Planverfahren läuft. Doch der Kreis hat bereits erste Baugenehmigungen erteilt

Rund 50 Besucher kamen am Donnerstagabend zum Darlegungs- und Anhörungstermin ins Elmpter Bürgerhaus.

Rund 50 Besucher kamen am Donnerstagabend zum Darlegungs- und Anhörungstermin ins Elmpter Bürgerhaus.

Foto: Knappe, Jörg (jkn)

Die Firma SL Windenergie wird auf einer insgesamt 37 Hektar großen Fläche westlich von Oberkrüchten und südlich der Autobahn 52 vier Windräder errichten. Das Gelände ist Ortskundigen unter dem Flurnamen „Bönnesohl“ bekannt. Die Windräder werden jeweils eine Gesamthöhe von 207 Meter haben. Am Mittwoch erfuhr die Gemeindeverwaltung, dass der Kreis Viersen die Baugenehmigung erteilt hat.

Mit diesem Paukenschlag eröffnete Bürgermeister Kalle Wassong (parteilos) die Bürgerinformation „Sachlicher Teilflächennutzungsplan Windenergie“. Hinter dem sperrigen Begriff steckt der Versuch, den Bau von Windkraftanlagen auf wenige Standorte zu begrenzen und einen Wildwuchs zu verhindern, erklärte Michael Ahn, Geschäftsführer des Architektur- und Stadtplanungsbüros WoltersPartner.

Dass an diesen Planungen vorbei bereits Fakten geschaffen wurden, irritierte viele der rund 50 Besucher der Infoveranstaltung. Es zeigt aber zugleich das Dilemma der Gemeinde. Denn die Nutzung der Windenergie ist in Deutschland seit 1997 privilegiert, erklärte Ahn. Das heißt, dass der Bau von Windrädern grundsätzlich überall im Außenbereich zulässig ist. Für eine Steuerung des Anlagenbaus durch die Kommunen hat das Bundesverwaltungsgericht enge Grenzen gezogen. Die Kommunen müssen der Windenergie „substanziell Raum geben“, so der Tenor der Rechtsprechung.

Das Resultat fasst Wassong so zusammen: „Wir sind Getriebene.“ Denn viele Windkraftbetreiber machen sich die Gesetzeslage zunutze und versuchen, Standorte zu sichern. So auch in Niederkrüchten. Dort hatte die SL Windenergie sogar acht Windkraftanlagen beantragt: drei am Dilborner Wald zwischen Elmpt und Overhetfeld am Rand des künftigen Neubaugebiets Heineland, eines an der B221 Richtung Arsbeck nahe dem Tierschutzhof und vier im Bönnesohl.

Da das 2016 begonnene Verfahren zum Teilflächennutzungsplan Windenergie noch nicht abgeschlossen ist, hat die Gemeinde noch kein Steuerungsinstrument in der Hand. In schwierigen Verhandlungen mit SL Windenergie gelang es immerhin, vier der geplanten acht Windräder zu verhindern. Im Gegenzug erteilte die Gemeinde durch Ratsbeschluss das Einvernehmen zum Bau der vier Anlagen im Bönnesohl – auch weil die Fläche ohnehin als Konzentrationszone für Windkraft im Entwurf des Flächennutzungsplans steht und sich im bisherigen Planverfahren als die mit dem vermeintlich geringsten artenschutzrechtlichen Konfliktpotenzial gezeigt hat.

Insgesamt sieht der Teilflächennutzungsplan Windenergie für das 6708 Hektar große Gemeindegebiet fünf Potenzialflächen für Windenergie vor, erklärte Planer Michael Ahn in der Bürgerversammlung. Neben Bönnesohl sind das eine knapp zwölf Hektar große Fläche westlich von Boscherhausen zwischen der A52 und der früheren B230, ein 34 Hektar großes Gelände nördlich der A52 im Elmpter Wald nahe der Grenze und ein 99 Hektar großes Areal im Start- und Landebahnbereich des früheren Militärflughafens. Hinzu kommen die beiden vorhandenen Standorte südlich von Oberkrüchten, die aber keinen Platz für weitere Windräder bieten. Der Rest des Gemeindegebiets käme nach komplizierten harten und weichen Tabukriterien, zum Beispiel geschlossene Siedlungsbereiche, Naturschutzgebiete oder Wälder, nicht für Windkraft in Frage.

Das Ziel der Gemeinde Niederkrüchten, die Nutzung der Windenergie auf das Flughafengelände zu konzentrieren, könnte auf Schwierigkeiten stoßen, weil es hier ein „hohes Konfliktpotenzial“ mit dem Artenschutz gibt, erläuterte Wolfgang Kerstan, Geschäftsführer des Ingenieur- und Planungsbüros Lange. Auf dem Flughafen wurden elf Brutpaare des Ziegenmelkers gefunden – eines der bedeutendsten Vorkommen in NRW, so Kerstan. Der Vogel steht auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Auch die Waldschnepfe und mehrere Fledermausarten sind auf dem Gelände heimisch.

Bei der Fläche im Elmpter Wald sehen die Planer ebenfalls artenschutzrechtliche Bedenken. Eher gering sei hingegen das Konfliktpotenzial im Bönnesohl und auf der Fläche bei Boscherhausen.

(jos)
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