Freia Hahn "Neue Medien sind Plattform für Mobbing"

Viersen · Gut 500.000 Schüler bleiben jedes Jahr in Deutschland dem Unterricht fern. Mobbing ist eine Ursache dafür. Die Kinder- und Jugendpsychiaterin Freia Hahn von der LVR-Klinik Süchteln spricht über Alarmsignale und Hilfe für Schulverweigerer.

 Schulverweigerer gibt es nicht nur an weiterführenden Schulen. Es gibt bereits Grundschüler, die dem Unterricht fern bleiben.

Schulverweigerer gibt es nicht nur an weiterführenden Schulen. Es gibt bereits Grundschüler, die dem Unterricht fern bleiben.

Foto: dpa/Kalaene

Kreis Viersen Wenn Kinder beim Frühstück über Kopfschmerzen klagen, kann das ein Alarmsignal sein. Für Schulprobleme, für Mobbing. Am Ende steht womöglich die Schulverweigerung. Bei der heutigen Tagung an der LVR-Tagesklinik in Krefeld beschäftigen sich Fachleute mit "Schulabsentismus und Mobbing". Mehr als hundert Lehrer, Ärzte, Psychologen und Sozialarbeiter haben ihre Teilnahme angekündigt. Organisiert wird die Fachtagung von der Kinder- und Jugendpsychiatrie der LVR-Klinik Süchteln. Chefärztin Freia Hahn spricht über Ursachen, Alarmsignale und Hilfen.

Wie viele Kinder und Jugendliche verweigern die Schule?

FREIA Hahn Die Studien der Bertelsmann- und Hertiestiftung gehen davon, dass rund 500.000 Schüler pro Jahr in Deutschland dem Unterricht fern bleiben. Diese Zahl ist über Jahre hinweg konstant.

Warum verweigern sie die Schule?

hahn Da sind zum einen Ursachen bei den Schülern. Dazu gehören Leistungsängste, Teilleistungsstörungen, Trennungs- und soziale Ängste. Kinder fürchten sich beispielsweise vor schlechten Bewertungen und vor Ausgrenzung. Häufig erlebe ich auch Sozialverhaltensstörungen. Die Betroffenen haben dann Schwierigkeiten, sich an Regeln zu halten. Zum zweiten sind da Ursachen, die im Elternhaus begründet liegen wie Konflikte in der Familie, Krankheiten der Eltern und Geschwister, finanzielle Sorgen, psycho-soziale Belastungen. Zum Dritten gibt es die Schule als Ursachenfeld, wenn etwa Leistungsansprüche zu hoch, die Klassen zu groß oder zu heterogen sind.

Ein Schwerpunkt der Tagung ist Mobbing . . .

Hahn Mobbing ist eine wichtige Ursache für Schulabstinenz. Je nach Studie sind zehn bis 20 Prozent der Schüler davon betroffen, als Opfer, als Täter oder als beides gleichzeitig. Durch die Smartphones und neuen Medien ergeben sich leider auch neue Plattformen, jemanden zu diffamieren und zu isolieren. Das geschieht zum Teil anonym und sehr aggressiv. Hinzu kommt, dass die Ausgrenzung nicht an den Schulmauern Halt macht.

Wie sieht Mobbing konkret aus?

Hahn In den sozialen Medien können das Sprüche sein wie "Du bist dumm", "Du bist ein Nichts", "Du wärst besser tot". Es kommt auch vor, dass Sachen der Betroffenen beschädigt werden. Dann gibt es handgreifliche Formen, etwa Schubsen oder mit Cola überschütten. Aber es gibt auch subtile Formen wie Sich-Wegdrehen und Lachen.

Was sind Alarmsignale?

Hahn Wenn Kinder regelmäßig morgens über Bauch- oder Kopfschmerzen klagen und zu Hause bleiben wollen, ist das ein Alarmsignal. Auf Dauer bringt es nichts, das Kind mit einem Attest zu Hause zu lassen. Insgesamt sollten die Eltern offen für die Sorgen und Ängste ihrer Kinder sein. Und wichtig ist - das gilt für Mobbing und Schulverweigerung- die Probleme offen anzusprechen und nicht zu verharmlosen.

Was können Eltern tun?

hahn Sie sollten sich auf jeden Fall an die Schule wenden. Sie können aber auch Kinderärzte ansprechen, Schulsozialarbeiter, das Jugendamt oder natürlich uns. Schulverweigerung hat niemals nur eine Ursache. Und es ist wichtig, dass alle gemeinsam daran arbeiten, um den Kindern und Jugendlichen zu helfen.

Sabine Janssen führte das Gespräch.

(RP)
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