Erinnerungskultur Stolperstein-Frage: CDU gibt Abstimmung frei

Viersen · In der kommenden Woche gibt’s eine Sondersitzung zum Thema Stolpersteine. Die CDU, die bislang ein Veto-Recht von Hausbesitzern befürwortete, will jetzt geheime Abstimmung beantragen. Das steigert die Chancen, dass die Gedenksteine an NS-Opfer in Viersen überall verlegt werden können

 Künstler Gunter Demnig erinnert mit „Stolpersteinen“ an NS-Opfer. Sie werden vor dem letzten Wohnsitz verlegt. In Viersen können Hausbesitzer derzeit dagegen ihr Veto einlegen. In einer Sondersitzung des Stadtrats am 11. September will sich die Politik erneut mit der Herangehensweise befassen.

Künstler Gunter Demnig erinnert mit „Stolpersteinen“ an NS-Opfer. Sie werden vor dem letzten Wohnsitz verlegt. In Viersen können Hausbesitzer derzeit dagegen ihr Veto einlegen. In einer Sondersitzung des Stadtrats am 11. September will sich die Politik erneut mit der Herangehensweise befassen.

Foto: dpa/Andreas Seidel

Die CDU hat ihre Position beim Thema Stolpersteine geändert. Ob Hausbesitzer ein Vetorecht gegen die Verlegung der Gedenksteine an NS-Opfer haben sollen oder nicht, darüber sollen in einer Sondersitzung des Stadtrates am 11. September die CDU-Ratsmitglieder ohne Fraktionszwang frei entscheiden dürfen, kündigte die Fraktion an. „In einer solchen Diskussion muss gelten, dass jedes Ratsmitglied nur seinem Gewissen verpflichtet sein darf in seiner Entscheidung“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Stephan Sillekens. „Weil wir wollen, dass jedes Ratsmitglied seine Entscheidung möglichst frei fällen und auch in der Stimmabgabe dokumentieren kann, werden wir geheime Abstimmung beantragen.“

Noch im April hatte der Stadtrat mit hauchdünner Mehrheit - und den Stimmen der CDU (mit Ausnahme des stellvertretenden Bürgermeisters Willy Bouren - den Vorschlag der Stadtverwaltung abgelehnt, das Veto-Recht aufzuheben. Eine Bürgerinitiative hatte daraufhin bei einem Bürgerbegehren mehr als 6000 Unterschriften gesammelt mit dem Ziel, dass sich der Stadtrat erneut mit der Angelegenheit befassen muss.

In der aktuellen Diskussion gehe es nicht um die Frage des „Ob wir Stolpersteine verlegen“, sagte Sillekens. Es gehe lediglich um die Frage, unter welchen Begleitumständen dies geschehe. „Und in diesem Zusammenhang sind wir allen dankbar, die sich für die Verlegung der Stolpersteine aktiv einsetzen und Zeit und Geld für diese Aktionen opfern.“ Zu einer klaren Sicht auf die Dinge gehöre aber auch, dass es Menschen in Viersen gibt, die sich mit dieser Aktion schwertun und die Verlegung von Stolpersteinen vor Ihrem Haus ablehnen.

„Man kann sicherlich zu der Ansicht gelangen, dass die Sache des Erinnerns wichtiger ist als die Kümmernisse Einzelner“, so Sillekens. „Mit gleicher Berechtigung kann man jedoch auch der Meinung sein, dass es richtiger ist, mit diesem Menschen zu sprechen, sie gewinnen zu wollen für die Erinnerungsaktionen und ihnen zu signalisieren, dass wir die Gemeinsamkeit mit ihnen suchen und sie nicht ausschließen wollen.“ Der CDU sei es gerade bei diesem Thema ein Anliegen, möglichst viele zu erreichen und zu gewinnen für die gemeinsame Erinnerung. Sillekens: „Für uns gehört zu den Lehren der Vergangenheit, dass Ausgrenzung kein Ziel demokratischer Politik sein kann und sein darf.“

Er kritisierte die Stadtverwaltung. In den vergangenen Wochen habe es seitens der Verwaltung offensichtlich keinerlei Versuche mehr gegeben, Hauseigentümer, die bisher ihre Zustimmung nicht gegeben haben, in ein Gespräch einzubinden und ihre Sorgen und Ängste an- und ernst zu nehmen. Sillekens sagte: „Ausgesprochen dankbar sind wir den Initiatoren der Initiative, weil sie uns noch einmal darauf aufmerksam gemacht haben, wie defizitär unsere Erinnerungskultur in Viersen ist.“ Er kündigte an, dass die CDU ein Konzept zur Erinnerungskultur beantragen werde. „Leider war die Diskussion etwa in den sogenannten sozialen Medien in den vergangenen Wochen nicht immer von Sachlichkeit geprägt.“ So seien einzelne CDU-Fraktionsmitglieder, aber auch Mitglieder anderer Ratsfraktionen verbal angegriffen und zum Teil auch beleidigt worden. „Auch für diese für unsere Stadt sicherlich sehr wichtige Diskussion gilt für uns allerdings in aller Deutlichkeit: Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.“

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