Landgericht Mordprozess: Vom Opfer fehlt jede Spur

Viersen/Mönchengladbach · Kurioser erster Prozesstag um eine Messerattacke in der Viersener Flüchtlingsunterkunft am Lichtenberg: Der Angeklagte hat eine falsche Identität und das Opfer ist untergetaucht.

 Der Angeklagte erklärte, er habe die Identität seines Onkels angenommen.

Der Angeklagte erklärte, er habe die Identität seines Onkels angenommen.

Foto: Eva-Maria Geef

„Sie haben genickt, als ich Ihren Namen nannte, aber: Wer sind Sie wirklich?“, so die erste Frage der Kammer an den Angeklagten.

Seit Freitag muss sich ein  Algerier vor dem Landgericht Mönchengladbach wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung verantworten. Ihm wird vorgeworfen, im Juli 2018 einen Mitbewohner in der Flüchtlingsunterkunft am Lichtenberg mit einem Messer angegriffen zu haben. Der Geschädigte habe dabei mehrere Stich- und Schnittverletzungen erlitten. Nur durch seine Gegenwehr und das Eingreifen dazukommener Personen sei der Tod des Mannes verhindert worden.

Auf die Frage nach seiner Identität gibt der Angeklagte zu, nach einem ersten abgelehnten Asylantrag einen zweiten gestellt und dabei den Namen eines Onkels benutzt zu haben. Zudem habe er sich zwei Jahre älter gemacht, um mehr Geld zu erhalten. Laut Auskunft der Staatsanwaltschaft erhielt diese Anfang Januar einen Brief mit den neuen Angaben des Angeklagten. Durch die Korrektur wäre der Algerier zum Tatzeitpunkt 20 Jahre und zehn Monate alt gewesen, würde daher nicht als Erwachsener, sondern als Heranwachsender behandelt.

Zur Tat ließ der mutmaßliche 21-Jährige über seinen Anwalt erklären, das spätere Opfer, ebenfalls ein Algerier, sei ein „Alpha-Mann“ gewesen, der kleinere Diebesbanden innerhalb der Bewohner organisiert hätte. Auch der Angeklagte habe sich von dem rund 15 Jahre älteren Mann rekrutieren lassen. Kurz vor der Tat habe es Streit gegeben, weil der Angeklagte angeblich Geld des weiter verkauften Diebesguts unterschlagen habe. Das spätere Opfer habe zudem sein Handy gestohlen und es nur gegen sexuelle Gegenleistungen zurückgeben wollen, woraufhin er den Mann mit Pfefferspray angegriffen habe. Dafür sei er eine Nacht in Polizeigewahrsam gekommen. Am nächsten Tag habe er sein Zimmer zerwühlt vorgefunden, wichtige Medikamente seien gestohlen worden. Daher habe er ein Messer genommen, um den Mann zur Rede zu stellen. Dieser habe ihn jedoch mit einer Krücke auf die Schulter geschlagen. Dabei sei er zu Boden gegangen, habe mit dem Messer Abwehrbewegungen gemacht, dabei das Opfer in die Schulter gestochen.

In der polizeilichen Vernehmung hatte der Mann erklärt, das Messer gefunden zu haben. Vor Gericht erklärte er, es zum Brote streichen und Kochen gekauft zu haben. Laut Kammer handelt es sich bei dem Tatmesser jedoch um ein Ausbeinmesser, mit dem man Fleisch vom Knochen löse.

Ein Zeuge erklärte, er habe das spätere Opfer zum Essen holen wollen, als der Angeklagte mit einem Messer in das Zimmer gekommen sei. Er habe noch gesehen, dass der Geschädigte vom Bett aufgestanden sei und den Mann in den Schwitzkasten genommen habe. Darauf habe der Angreifer versucht, nach hinten auf diesen einzustechen. Daraufhin habe er die Security geholt. Als er zurückkam, habe er viel Blut gesehen, und der Angegriffene habe sich auf dem Bett gekrümmt.

Das Opfer konnte an diesem Prozesstag nicht befragt werden. Der Mann sowie zwei weitere Zeugen sind nicht auffindbar. Laut Kammer sind alle drei „vollziehbar ausreisepflichtig“.

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