Viersen Mit dem Nachtwächter unterwegs

Viersen · In die Historie von Süchteln eintauchen, das wollte am Wochenende der Süchtelner Verschönerungsverein. Er lud zur "Stadtführung in die Dämmerung hinein" mit Heinz Grüter ein.

 Ein Rundgang durch Süchteln am Abend: die kath. Pfarrkirche St. Clemens.

Ein Rundgang durch Süchteln am Abend: die kath. Pfarrkirche St. Clemens.

Foto: Busch, Franz-Heinrich sen.

Die Gruppe auf dem Süchtelner Lindenplatz wird immer größer. Erst sind es nur zehn Leute und auf einmal knapp 40. Alle Augen sind dabei auf den Mann in dem schwarzen Umhang und dem Dreispitz auf dem Kopf gerichtet. Mit jedem Schritt, den er näher kommt, wippt die Pfauenfeder auf seiner Kopfbedeckung und die Feinheiten der Hellebarde sind besser zu erkennen.

 Bei der "Stadtführung in die Dämmerung hinein" informiert Nachtwächter Heinz Grüter über das historische Süchteln.

Bei der "Stadtführung in die Dämmerung hinein" informiert Nachtwächter Heinz Grüter über das historische Süchteln.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Die Laterne absetzend greift er zum Horn und lässt ein stumpfes Brummen erklingen. "Wie jeden Tag zur gleichen Stund' mach ich mich bereit für meine Rund'", setzt Heinz Grüter an, der in der Verkleidung des Süchtelner Nachtwächters steckt. Und damit ist der Ur-Süchtelner auch schon mittendrin in seiner "Startführung in die Dämmerung hinein".

 Süchtelner Einblicke: von der Fußgängerzone Hochstraße in die Probsteistraße mit dem Fachwerk-Heimatmuseum.

Süchtelner Einblicke: von der Fußgängerzone Hochstraße in die Probsteistraße mit dem Fachwerk-Heimatmuseum.

Foto: Busch, Franz-Heinrich sen.

Der Süchtelner Verschönerungsverein (SVV) ist es, der zu dem Gang durch das alte Süchteln eingeladen und den Nachtwächter für den Event gebucht hat. Auf dem Lindenplatz stehend, wo einst eine mächtige Linde stand, die dem Platz seinen Namen gab, führt Grüter in die Zeit vor Christi Geburt zurück. "Hier lebten Kelten, die eine Göttin verehrten, die eine Heilerin von Krankheiten war. Supht, die Sucht oder Krankheit, und Heel, die Heilerin, ergaben den Namen Suphtheel, woraus später Süchteln wurde. Das mit dem Namen ist wie ,Stille Post", wer weiß, wie Süchteln in hundert Jahren heißt", meint Grüter, was ihm etliche Lacher einbringt.

Von den Kelten zu den Römern und zur Gräfin von Aspel geht die geschichtliche Reise. Die Zuhörer erfahren, dass Süchteln als Ort erstmalig 1116 in den Büchern erwähnt wurde und 1423 die Marktrechte erhielt. Schauriges aus dem Jahr 1560, wo ein Warnschild mit einer abgehakten Hand und einem Schwert jeden die Strafe für Diebstahl auf den beiden Jahrmärkten und dem Wochenmarkt in Süchteln verdeutlichte.

Vom Lindenplatz geht es auf den Westwall. Ein kurzer Stopp, wo einst das Stadttor stand und mancher der älteren Besucher sich auch noch an die in Süchteln verkehrende Straßenbahn erinnert, die hier fuhr. "Wir gehen jetzt über den Wall, der insgesamt sechs Rondelle zur Verteidigung hatte, wobei die nicht viel genützt haben. Süchteln wurde oft überfallen", erklärt Grüter und wandert den Bürgersteig entlang, um kurze Zeit später in das schmale Giesejätzke abzubiegen.

Die Häusermauern lassen nur wenig Platz, ein Auto würde hier nicht durchpassen. Grüter erinnert an die Siep, die einst quer durch Süchteln floss und in die Niers mündete und er spricht von Zollgebühren, die beim Eintritt in die Stadt gezahlt werden mussten.

"Das wird ja wieder kommen", kommt in Anspielung auf die Citygebühr ein Kommentar aus der Menge. Lautes Lachen ist die Antwort. Weiter geht es in Richtung Kirchstraße, die noch so manche alte Hofeinfahrt beherbergt. Dass in Süchteln sogar einst Wein angebaut wurde, lässt die Besucher staunen.

Auch der große Brand von 1677, dem die Gebrandstraße ihren Namen verdankt, ist nicht allen bekannt. 40 Häuser und Stallungen fielen ihm damals zum Opfer, "Die erste Brandspritze kam erst 1726. Das Löschen erfolgte vorher per Kette mit Eimern vom Brunnen", berichtet Grüter. Mittlerweile fällt die Dämmerung ein und der Nachtwächter hat schon seit einiger Zeit seine Laterne an. Eine geheimnisvolle Stimmung macht sich breit, bei der der Spaziergang durch Süchtelns Geschichte noch mehr Flair erhält. Ein schöner Abend, mit viel Wissenswertem über eine "leibeswerte" Stadt.

(tref)
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