Forderung im NRW-Landtag Medizintests an Heimkindern sollen aufgeklärt werden

Düsseldorf · Bis in die 70er Jahre wurden medizinische Versuche an Heimkindern in NRW vorgenommen. Jetzt sollen die Vorgänge schonungslos aufgearbeitet werden - das haben Politiker aller Parteien im Gesundheitsausschuss des Landtags gefordert.

 Die Pharmazeutin Sylvia Wagner hatte herausgefunden, dass es zwischen 1950 und 1970 gängige Praxis war, Minderjährigen Arzneien zu Testzwecken zu verabreichen, unter anderem in einer Viersener Einrichtung.

Die Pharmazeutin Sylvia Wagner hatte herausgefunden, dass es zwischen 1950 und 1970 gängige Praxis war, Minderjährigen Arzneien zu Testzwecken zu verabreichen, unter anderem in einer Viersener Einrichtung.

Foto: Büsch

Sie zeigten sich fassungslos und geschockt über die Erkenntnisse, die vor allem durch die Doktorarbeit der Krefelderin Sylvia Wagner ans Tageslicht gekommen waren. Nach Darstellung von NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) wurden im Heim Neu-Düsselthal (Düsseldorf) Kindern mit Billigung des Landesjugendamtes Neuroleptika zur "Dämpfung und Lernsteigerung" verabreicht. Dazu wurde 1966 sogar eine Studie durchgeführt. Ein Heimarzt soll damals den Dienst quittiert haben, weil er den "enormen Konsum von Psychopharmaka" für unverantwortlich hielt.

Medikamtenversuche gab es demnach auch in Einrichtungen in der Rheinischen Landesklinik für Jugendpsychiatrie in Viersen-Süchteln sowie in Essen und Bethel. In einem Waisenhaus soll das Verfahren von Pockenimpfungen (Ritzen oder Punktieren) getestet worden sein.

Opfer sollen entschädigt werden

Bislang wisse man nicht, wer durch die Medizinversuche wie geschädigt worden sei, sagte Steffens (Grüne). Auch sei unklar, wie die Versuche rechtlich einzustufen seien, zumal es damals noch kein ausgefeiltes Arzneimittelrecht gegeben habe. Für sie stehe aber fest, dass sie "weit grenzüberschreitend" gewesen seien. Medikamententests ohne Zustimmung der Eltern oder des Vormundes seien auch damals nicht erlaubt gewesen. Die Ministerin sagte eine rasche Aufarbeitung zu; dazu solle ein Beirat mit externen Sachverständigen eingesetzt werden. Im Moment sei aber noch völlig unklar, welche Daten aus jener Zeit noch verfügbar seien.

Im Ausschuss wurde die Forderung bekräftigt, die Opfer schnellstmöglich zu entschädigen, sobald man mehr über sie wisse. "Diese Menschen haben ein Recht auf Wiedergutmachung", betonte Michael Scheffler (SPD). Er verlangte auch, gegebenenfalls die beteiligten Pharmaunternehmen zur Wiedergutmachung heranzuziehen.

(hüw)
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