Streifzüge - Menschen bei der Polizei Leitstelle: Ein offenes Ohr für alle Notfälle
Viersen · Sie brauchen gute Nerven und eine schnelle Auffassungsgabe: Je drei Beamte sitzen rund um die Uhr am heißen Draht des Polizeinotrufs. Hauptkommissar Johannes Peters (55) ist einer von ihnen.
Johannes Peters hat sich in seinem Berufsleben schon viel anhören müssen: panische Hilferufe, dumme Schülerscherze, wüste Beschimpfungen, banale Beschwerden. Ruhe-Bewahren, Gut-Zuhören und Schnell-Reagieren gehören zu seinen obersten Dienstpflichten.
Der 55-jährige Hauptkommissar arbeitet seit gut 20 Jahren auf der Kreisleitstelle — mit Auszeiten als Personalratsvorsitzender — und gehört zu den ersten Ansprechpartnern für Bürger, die den Notruf wählen. Wie zum Beispiel die verwirrte alte Dame, die einen Soldaten auf ihrem Balkon stehen sieht; das verzweifelte junge Paar, das wissen möchte, wo es die "Pille danach" bekommt; der panische Mann, der gerade entdeckt hat, dass bei ihm eingebrochen wurde.
"Wir hören schon am ersten Satz, ob ein Anruf wichtig ist", sagt Peters. "Manche Anrufer sind total gestresst und schockiert. Wenn wir dann wichtige Informationen abfragen, brüllen sie mich an: Nun fragen Sie nicht so dumm und schicken jemanden!", erzählt Peters. Dann kann er den Notrufenden meist damit beruhigen, dass längst ein Streifenwagen unterwegs ist.
Bei einem Einbruch beispielsweise mag die Fragerei, wie viele Täter es wohl waren und ob sie mit dem Auto gekommen sind, lästig erscheinen. Doch für Einsatzleitkräfte liefern die Antworten die Grundlage für das weitere Vorgehen.
Alle Polizeibeamten der Leitstellen sind speziell für Telefongespräche geschult, denn für viele Bürger ist dies der erste Kontakt zur Polizei überhaupt. "Die ersten Wortwechsel entscheiden über das Verhältnis von Bürger und Polizei", sagt Peters. Rund um die Uhr sind die Beamten der Leitstelle in drei Schichten im Einsatz. Manche mögen den Nachtdienst von 22 bis sechs Uhr morgens, andere arbeiten gern im Frühdienst von sechs bis 14 Uhr. "Im Winter bei Glatteis knallt morgens im Berufsverkehr ein Unfall nach dem anderen herein. Bei Blechschäden muss man da warten. Unfälle mit Verletzten haben Vorrang", sagt Peters.
An warmen Sommertagen klingelt das Telefon häufig nachts wegen Ruhestörungen. "Viele melden sich, weil sie nachts wegen der Wärme bei geöffnetem Fenster schlafen wollen und auf der Terrasse der Nachbarn aber noch geredet wird", erzählt der Hauptkommissar. Statt den nächtlichen Lärmpegel mit den Nachbarn zu klären, rufen viele direkt bei der Polizei an. Das sei früher anders gewesen, meint Peters.
Verändert hat sich auch massiv die Arbeitsweise der Leitstelle. Der Technik sei dank. Peters kennt noch die Zeiten, als jeder Anruf per Hand mit Uhrzeit auf einem Zettel notiert und abgeheftet wurde. "Wenn wir dann nachgeschlagen haben, mussten wir die Hieroglyphen der Kollegen entziffern", erinnert sich Peters.
Heute läuft die Recherche elektronisch binnen Sekunden. Fünf Computerbildschirme blinken an Peters Arbeitsplatz. So wird zum Beispiel bei jedem Notruf auf einem Monitor die Telefonnummer eingeblendet. Die Leitstelle kann so den Anschlussteilnehmer und die Adresse ermitteln oder bei gefährdeten Objekten wie Banken die Zufahrtswege abrufen, die im Fall eines Überfalls wichtig sind. Gute Nerven und hohe Belastbarkeit müssen die Beamten der Leitstelle mitbringen. Allein die Geräuschkulisse ist ein Stressfaktor. Nach Feierabend geht Peters gern mit seinem Hund in den Wald und genießt die Ruhe. "Das ist ein Gegenpol zu der Klingelei." Im Dienst dagegen kann jederzeit ein Anrufer einen tödlichen Unfall melden. Dann rotieren die Einsatzleitkräfte: Rettungs- und Dienstwagen schicken, Daten erheben, die Situation erfassen, Familienangehörige ermitteln ...
In den großen Notfällen sind die Männer der Leitstelle der ruhende Pol, bei dem alle Fäden zusammenlaufen. "Wir bewerten die Lage, schicken, dirigieren und koordinieren. Wir übernehmen dann die Einsatzleitung, bis sich ein Führungsstab gebildet hat." Die Erinnerung an besonders tragische Einsätze nehmen die Polizisten oft Wochen, Monate und Jahre lang mit nach Hause. Peters erinnert sich noch heute an einen Unfall in Nettetal nach einem Discobesuch. Fünf junge Leute starben dabei — das war im Jahr 1987.
Doch einige Anrufe lassen sich auch mit Humor nehmen. Die Dame, die regelmäßig einen Soldaten auf ihrem Balkon sah, war dement. "Nachdem das bekannt war, haben wir ihr immer gesagt: Geben Sie ihm eine Tasse Kaffee, wir rufen den Kompanie-Chef an! Und dann war die alte Dame beruhigt."