Kunstprojekt an Brüggener Gesamtschule Künstler lässt Schüler Welten entwerfen

Er gestaltete den deutschen Pavillon bei der Weltausstellung in Shanghai zum Thema „Wohnwelten“. Jetzt hat der französisch-stämmige Künstler Romain Burgy Jugendliche an der Gesamtschule Brüggen Wohnwelten malen lassen.

 „Wie wollen wir wohnen? In der Stadt? Auf dem Land? Auf einer Mars-Station?“ Romain Burgy ließ die Jugendlichen in der Gesamtschule Brüggen Wohnwelten malen.

„Wie wollen wir wohnen? In der Stadt? Auf dem Land? Auf einer Mars-Station?“ Romain Burgy ließ die Jugendlichen in der Gesamtschule Brüggen Wohnwelten malen.

Foto: Daniela Buschkamp

Im Kunstraum der Gesamtschule Brüggen am Kreuzherrenplatz ist es nicht nur warm, sondern auch still. Sehr still. Während die meisten Schüler das warme Gebäude bereits verlassen haben, wird unter dem Dach noch konzentriert gearbeitet. Pinsel füllen leere Leinwände mit Farbe, Töne werden gemischt, immer wieder werden Skizzen in den Blick genommen, mal huscht ein französischer Satz durch den Raum.

 Sandra aus der EF-Stufe hat kein reales Vorbild für ihre Wohnwelt. „Ich wollte ein Haus in der Landschaft, im Grünen, wo es schön kühl ist“, sagt die 18-Jährige.

Sandra aus der EF-Stufe hat kein reales Vorbild für ihre Wohnwelt. „Ich wollte ein Haus in der Landschaft, im Grünen, wo es schön kühl ist“, sagt die 18-Jährige.

Foto: Daniela Buschkamp

Der Mann, der diese Sätze spricht, ist das erste Mal in der Brüggener Gesamtschule. Romain Burgy, komplett schwarz gekleidet, mit einem silbernen Anhänger um den Hals, hat er schon oft mit Jugendlichen bei kreativen Projekten zusammengearbeitet, bisher etwa in Paris oder Köln. Jetzt begleitet der 67-Jährige erstmals Schüler in Brüggen bei dem kreativen Prozess. Kunstlehrerin Kathleen Riepe (34) freut sich über diese Premiere. „Es handelt sich um einen Begabtenkursus, hier arbeiten Schüler aus den Klassen 9 bis 12 zusammen“, erklärt Riepe. Es sind Jugendliche, die außergewöhnlich begabt und interessiert am Malen und zeichnen sind. Und dafür arbeiten sie jetzt konzentriert im Kunstraum.

 Lisa (17) hat mit viel Fantasie eine Elfenwelt entworfen. Fliegenpilze und Bäume stehen neben kleinen Hütten, alles in einer Glühbirne. „Ich mag Elfen“, sagt Lisa.

Lisa (17) hat mit viel Fantasie eine Elfenwelt entworfen. Fliegenpilze und Bäume stehen neben kleinen Hütten, alles in einer Glühbirne. „Ich mag Elfen“, sagt Lisa.

Foto: Daniela Buschkamp

Das Thema „Wohnwelten“ hat Burgye mit in die Klasse gebracht. Es ist ein Thema, das dem gebürtigen Franzosen zutiefst vertraut ist. Er gestaltete dazu bei der Weltausstellung in Shanghai vor neun Jahren den deutschen Pavillon, hatte sich zuvor nach eigenen Angaben gegen 90 andere Bewerber durchgesetzt. „40 Millionen Menschen waren bei der Weltausstellung. Wo erreicht man sonst solche Zahlen?“, sagt er. Wohnen hält er für ein zentrales Zukunftsthema. „Wie wollen wir wohnen: in der Stadt, auf dem Land, auf einer Marsstation? Wie erreicht man eine Symbiose zwischen Architektur und Natur?“, nennt Burgy einige der Fragen, die er auch den Jugendlichen gestellt hat.

Das Bild von Linda zeigt eine fantastische Welt. „Ich wollte erst einige Häuser auf einem Berg malen, war aber mit der Skizze nicht zufrieden“, sagt die 16-Jährige.

Das Bild von Linda zeigt eine fantastische Welt. „Ich wollte erst einige Häuser auf einem Berg malen, war aber mit der Skizze nicht zufrieden“, sagt die 16-Jährige.

Foto: Daniela Buschkamp

Sie konnten vier Tage lang vollkommen frei zu diesem Thema arbeiten. Einige wie Pia (16) wussten direkt, was sie zu Papier bringen wollen: Bei Pia ist es das Märchenschloss von Walt Disney, das sie aus dem Resort in Paris kennt. Andere wie Linda lassen sich von ihrer Fantasie leiten. Sie hat das Bild einer Berglandschaft mit Hütten vor Augen, fertigte dazu eine Skizze an. „Doch damit war ich nicht zufrieden“, sagt die 16-Jährige. Plötzlich sei ihr eine andere Idee gekommen. Nun entsteht mit sorgfältigen Pinselstrichen und silber-grauer Farbe ein weiteres Haus inmitten einer felsigen Landschaft. Unterschiedliche Felsformationen sind auf der Leinwand verteilt und entführen den Betrachter in eine natürlich anmutende, aber irreale Welt. Dass sich Ideen verändern, hat auch der ein Jahr ältere Eric erfahren. Sein Bild zeigt bunte Hochhauswürfel in einer abstrakten Stadt.

 Die 16-jährige Pia hat das rosafarbene Märchenschloss von Disney aus der Disneyworld Paris gemalt. „Ich liebe es sehr“, sagt sie. Die Prinzessin darin will sie aber nicht sein.

Die 16-jährige Pia hat das rosafarbene Märchenschloss von Disney aus der Disneyworld Paris gemalt. „Ich liebe es sehr“, sagt sie. Die Prinzessin darin will sie aber nicht sein.

Foto: Daniela Buschkamp

„Die Schüler haben sehr konkrete Fragen, brauchen etwa Unterstützung bei der Perspektive“, schildert Burgy.

Die Schülerarbeiten werden dabei weder in der Schublade noch in der Kunstmappe verschwinden. Sie werden öffentlich präsentiert – am 24. und 15. August bei einer Kunstausstellung in der Burggemeindehalle. Diese organisiert Burgy gemeinsam mit Künstlerkollegen: „Wir wollten dort nicht nur die Arbeiten von Künstlern zeigen, sondern auch die von Jugendlichen.“ Deshalb habe er den Kontakt zu einer Schule gesucht – und in der Gesamtschule gefunden. Burgy hält derartige Workshops für wichtig, in Städten wie Köln und Paris, aber insbesondere im ländlichen Raum: „Die Künstler müssen dorthin. Es ist eine soziale Aufgabe der Kunst, zu den Kindern zu kommen“, meint er. Und das will er im kommenden Jahr erneut. Kathleen Riepe würde es begrüßen, wäre es doch eine zusätzliche Chance, die Jugendlichen zu fördern.

Sie arbeiten weiter, lassen die Wohnwelten für Elfen und Menschen wachsen – so konzentriert, dass das in den Raum gerufene „Tschüss“ fast schon stört. Romain Burgy lächelt: Er kennt die kreative Stille.

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