Viersen Krise sorgt in Kanew für Nöte und Angst

Viersen · Fritz Meies vom Verein "Freunde von Kanew" ist vor wenigen Tagen von seinem Hilfsbesuch in der Viersener Partnerstadt Kanew zurückgekehrt. Er hat in der krisengebeutelten Ukraine verheerende Zustände vorgefunden.

Viersen: Krise sorgt in Kanew für Nöte und Angst
Foto: Franz Heinrich Busch (bsen)

Junge Männer dürfen Kanew derzeit nicht mehr verlassen: Sollte der Krieg ausbrechen, müssen sie als Soldaten bereit stehen. Besonders an den Müttern nagt die ungewisse Zukunft ihrer Söhne. Auf der Suche nach Antworten versammeln sich täglich einige von ihnen vor dem Rathaus, um zu erfahren, wie es weiter geht. "Die Menschen haben große Angst, dass in ihrem Land der Krieg ausbricht", sagt Fritz Meies der Vorsitzende des Vereins "Freunde von Kanew".

Meies ist in der vergangenen Woche aus der Ukraine zurückgekehrt. Dorthin war er gereist, um sich ein Bild vom Zustand der Hilfsprojekte zu machen, die seine Organisation in der Ukraine betreut. "Unseren Projekten geht es gut, wir haben gute Leute", berichtet er. Die übrigen Zustände, die er in der krisengebeutelten Ukraine erleben musste, setzen ihm jedoch zu. "Vieles muss ich erst einmal verkraften", sagt Meies.

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Bis nach Kiew braucht ein Flugzeug von Düsseldorf aus gerade einmal zweieinhalb Stunden. Dennoch trennen die beiden Städte Welten, erst recht, seitdem die politischen Unruhen die Ukraine in Ost und West gespalten und das Land in einen Ausnahmezustand versetzt haben. Kanew sei eine typisch westukrainische Stadt. "Die Bevölkerung will nach Europa", sagt Meies.

Die Anzeichen der Krise hat er an vielen Orten deutlich gesehen. Für den Weg vom Flughafen in Kiew bis nach Kanew braucht Meies normalerweise etwas mehr als eine Stunde. Diesmal benötigte er nur die Hälfte der Zeit: Es sind kaum noch Autos unterwegs, weil sich der Benzinpreis nahezu verdoppelt hat. Vladimir Grebeniuk, bei dem Meies während seiner Ukrainebesuche übernachtet, ist Kfz-Mechaniker und derzeit so gut wie arbeitslos. "Die Wirtschaft liegt vollkommen brach", sagt Meies.

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Foto: afp, ski

Die ohnehin arme westukrainische Bevölkerung trifft das doppelt hart. Ein Lehrer verdiene in Kanew gerade einmal 120 Euro, die Rente vieler Ukrainer betrage meist nicht mehr als 80 Euro im Monat, berichtet Meies. Zuletzt zahlte die Ukraine aber nur die Hälfte des Betrags an die Senioren aus. "Viele haben die Befürchtung, dass die nächste Rente gar nicht mehr kommt", sagt er. Ein Beispiel führt besonders drastisch vor Augen, was das für die Menschen bedeuten würde: Eine alte Dame, die unter Inkontinenz leidet, konnte sich zuletzt nicht einmal mal mehr Windeln leisten. Meies treibt das Tränen in die Augen.

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Den übrigen Bewohnern der ukrainischen Kleinstadt geht es kaum besser. Die Inflation hat aufgrund der Krise Einzug gehalten. So sinkt der Wert des Geldes, die ohnehin knappen Güter werden immer teurer. "Im November habe ich für einen Euro noch 10 Hrywnja erhalten, jetzt waren es 18", erklärt Meies. Wirtschaftlich ist die Ukraine gespalten. Während im pro-russischen östlichen Teil des Landes nahezu das gesamte Industrievorkommen beheimatet ist, ist der Westen landwirtschaftlich geprägt. Viele Menschen in Kanew ernähren sich von selbst angebauten Produkten. Diese Subsistenzwirtschaft kommt den Menschen in der Krise zugute. "Sie bearbeiten ihre Gärten, darauf setzen sie ihre Hoffnung", sagt Meies.

Medizinische Güter sind indes nur mit Geld zu erwerben. Deswegen brachte Meies bei seinem letzten Besuch Tonnen von Hilfsgütern in die Ukraine, viele davon für die Bewohner des Altenheims, das die "Freunde von Kanew" in der Ukraine betreuen. "Ihre medizinische Versorgung ist bis zum Mai gesichert", sagt er. Spätestens nächsten Monat will er weitere Hilfsgüter nach Kanew bringen.

Das Engagement der Freunde von Kanew setzt sich aber auch in Deutschland fort. Nach den kommenden Sommerferien wird beispielsweise das Clara-Schumann-Gymnasium in Dülken für zwei Wochen 15 Schüler aus Kanew zwei bis drei Wochen lang aufnehmen und unterrichten.

(RP)
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