Medizinische Versorgung im Kreis Viersen Apotheker schließen und demonstrieren
Kreis Viersen · Am nächsten Mittwoch werden im Kreis Viersen wohl nur die Notapotheken öffnen. Zahlreiche Apotheker wollen in Düsseldorf gegen das Apothekensterben demonstrieren. Wie schlimm ist die Lage im Kreis Viersen?
Für viele Einwohner im Kreis Viersen dürften die Wege zur nächsten Apotheke am kommenden Mittwoch, 14. Juni, deutlich länger werden. Viele Apotheker werden ihre Betriebsstätten schließen und nach Düsseldorf fahren, um in der Nähe des Landtags zu demonstrieren. Ihr Leitmotiv lautet: „Apotheken kaputt sparen. Arzneimittelversorgung gefährden. Nicht mit uns.“ Wer an dem Tag Medikamente benötigt, muss sich an die Notdienst-Apotheke wenden.
„Eine sehr hohe Streik- und Protestbereitschaft der Apotheken im Kreis Viersen ist zu erwarten“, heißt es bei der Apothekerkammer NRW. Was verärgert die Apotheker so sehr? „Insbesondere die wirtschaftliche Lage vieler Apotheken hat sich dramatisch verschlechtert“, berichtet Joachim Kresken von der Süchtelner Irmgardis-Apotheke. Er ist Sprecher der Apotheker im Kreis Viersen. Kresken erklärt: „Die gesetzlich festgelegten, fixen Honorare für die Apotheken wurden seit zehn Jahren nicht erhöht. Und das bei kontinuierlich steigenden Lohn-, Energie- und Zinskosten.“
Die Folge sei ein sich immer weiter beschleunigendes Apothekensterben, insbesondere im ländlichen Bereich, erklärt Kresken. Er kritisiert die Ampel-Regierung. „Nie zuvor hat eine Bundesregierung das bewährte Apothekenwesen so drastisch ignoriert“, sagt Kresken. „Angesichts neuer Höchststände bei den Apothekenschließungen und zunehmender Lieferengpässen bei Medikamenten wird eine Verschlechterung der Arzneimittelversorgung billigend in Kauf genommen“, kritisiert der Apotheker. „Diese Politik gefährdet massiv die persönliche, wohnortnahe und flächendeckende Arzneimittelversorgung.“
Wie schlimm ist es konkret im Kreis Viersen? Aktuell gibt es 63 Apotheken im Kreis, nachdem im vergangenen Jahr eine zusätzliche eröffnet hat. Zum Vergleich: Vor 15 Jahren waren es noch 78 Apotheken im Kreis. Das entspricht einem Rückgang von fast 20 Prozent.
Vor knapp fünf Jahren hatte sich der Gesundheitsausschuss des Kreises Viersen bereits mit der medizinischen Versorgung befasst. Damals kamen noch 4.461 Einwohner auf eine Apotheke. Laut Niederschrift erklärte der damalige Präsident der Apothekerkammer Nordrhein, dass der Kreis Viersen „insgesamt gut mit Apotheken versorgt ist“, die Versorgung mit Blick auf die Zukunft aber weiter beobachtet werden müsse.
Fünf Jahre später versorgt aktuell im Kreis Viersen im Schnitt eine Apotheke 4.768 Einwohner. Ein Blick in die Region zeigt, dass die Apothekendichte im Kreis Viersen weiterhin vergleichsweise hoch ist. In Mönchengladbach kommen 4.865 Einwohner auf eine Apotheke, im Kreis Kleve sind es sogar mehr als 6.000. Ein besseres Verhältnis als im Kreis Viersen gibt es im Rhein-Kreis Neuss (4.616) und in der Stadt Krefeld (4.085). Anders als bei Arztpraxen ist eine Bedarfsplanung für Apotheken in Deutschland nicht vorgesehen. Entsprechend scharf ist der Wettbewerb der Apotheker um stark frequentierte Standorte. In Düsseldorf beispielsweise betreut eine Apotheke im Schnitt weniger als 4.000 Einwohner.
Was viele Apotheker wurmt: die Billig-Konkurrenz durch Online-Versandhändler, die keine Notdienste leisten müssen und im Falle von Medikamentenmangel eben nicht die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen können, indem vor Ort Medizin hergestellt wird. Statt höchstens 19 Notdienste im Jahr 2014 mussten die Apotheker in Viersen im Jahr 2018 bereits bis zu 23 Notdienste übernehmen. Nach dieser Höchstzahl sehnen sich die Apotheker schon zurück.
Kresken ist überzeugt, dass im Kreis Viersen das Apothekensterben in den nächsten Jahren eine weitere Dynamik erleben wird. Weil viele Apotheker kurz vor der Rente stehen. Und auch die Apotheken einen „eklatanten Fachkräftemangel“ erfahren. Bereits 2018 lag das Durchschnittsalter der Apotheker im Kreis Viersen laut einer damals vorgelegten Statistik des Kreisgesundheitsamtes bei 56,5 Jahren. „Fünf Jahre sind seitdem vergangen“, sagt Kresken. Er ist 67.