Kreis Viersen Kreis ächzt unter steigenden Soziallasten

Kreis Viersen · Landrat Peter Ottmann übt deutliche Kritik an Bund und Land. Mit ihrer Politik überforderten sie die Möglichkeiten der kommunalen Familie. Kämmerer Thomas Heil will Kreisumlage nicht verändern.

Landrat Peter Ottmann und Kämmerer Thomas Heil brachten gestern Abend einen ausgeglichenen Entwurf zum Haushalt in den Kreistag ein. Darin eingearbeitet ist das Defizit von 2,7 Millionen Euro aus dem Vorjahr. Beide warnten vor überzogenen Vorstellungen. Einen gestalterischen Spielraum sehen sie nicht, vielmehr listeten sie eine Reihe von Risiken auf, die weit über 2014 hinausgehen.

So warnt der Landrat davor, die aktuellen Wachstumsprognosen zu überschätzen. Zwar profitiere der Kreis durch höhere Einnahmen über die Kreisumlage, Schlüsselzuweisungen und Zuwendungen für die Grundsicherung mit insgesamt annähernd 14 Millionen Euro. Aber gleichzeitig steigen die Kosten für die soziale Sicherung auf 102 Millionen Euro. Nur 35 Millionen Euro werden dem Kreis erstattet, den Rest muss er sich bei den Städten und Gemeinden holen. Kämmerer Heil wies darauf hin, dass die Ausgleichsrücklage bereits zu 60 Prozent aufgezehrt ist. Der Kreis erhielt von der Bezirksregierung deswegen einen heftigen Rüffel und dazu die Verfügung, weitere Entnahmen zu unterlassen. Das hat Kämmerer Heil befolgt.

"Das macht ja auch Sinn, denn die Rücklage ist eine rein bilanztechnische Größe. Wir müssen für das fehlende Geld Kassenkredite aufnehmen. Die Konditionen sind zurzeit verführerisch, aber darauf kann man nicht ernsthaft seine nachhaltige Haushaltswirtschaft aufbauen", erklärte Ottmann. Bund und Land bürdeten mit immer neuen politischen Initiativen der kommunalen Familie Belastungen auf und kürzten gleichzeitig die Zuwendungen. Der Landrat rechnet vor, dass das Land den Kommunen seit 1981 Zuwendungen in der Höhe von 50 Milliarden Euro stetig gekürzt hat. In genau dieser Höhe bewegt sich die aktuelle Gesamtverschuldung aller Kommunen.

Besonders benachteiligt wird nach Ottmanns Angaben der ländliche Raum. In kreisangehörigen Gemeinden leben 60 Prozent aller Einwohner des Landes, es fließen aber nur 47 Prozent der Schlüsselzuweisungen dorthin. Ihn überzeuge das Argument nicht, die Ballungsgebiete an der Ruhr müssten wegen des Strukturwandels besser bedacht werden. Erstens sei das ein Fass ohne Boden, zweitens habe der Niederrhein den Niedergang der Textilindustrie ohne solche Hilfen selbst zu verkraften. Die gut wirtschaftenden Kommunen sollten darüber hinaus noch die besonders maroden Kommunalhaushalte mitfinanzieren. Das sei ihm völlig unverständlich.

Der Landrat warf Bund und Land vor, sich bei der Umsetzung ihrer Politik in unverantwortlicher Weise der Kommunen zu bedienen. Die schlecht vorbereitete Energiewende schlage voll auf die Dividendenzahlungen der RWE AG durch, so dass die bisherige Gewinnausschüttung durch die Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WFG) von mehr als drei Millionen Euro an den Kreis demnächst komplett wegzufallen drohe. Kritik übte der Landrat an den Folgen der Sozialpolitik. Hier sieht Kämmerer Thomas Heil den brisantesten Sprengsatz für Kommunalfinanzen. Der jährlich geradezu sprunghafte Anstieg der Eingliederungshilfen sei besorgniserregend. Zuwendungen von Bund und Land reichten bei weitem nicht aus, die Folgen der dort betriebenen Politik auf kommunaler Ebene zu tragen.

Nicht anders verhält es sich mit der Neustrukturierung der Förderschullandschaft/Inklusion, deren Kosten ebenfalls in die Rat- und Kreishäuser weitergegeben werden. Gehe dies ungebremst so weiter, werde in den Kommunen bald finanziell "das Licht ausgehen", fürchtet der Kämmerer.

Der Kreistag soll am 3. April den Haushalt beschließen. Bis dahin wird es einigen Gesprächs- und Verhandlungsbedarf geben.

(RP)
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